zurück zur Briefübersicht

 

   

AN FRAU WEILER

   

Auch hat es sich schon zugetragen, meine liebe Freundinn, daß mir mit der Erinnerung an Straßburg nicht blos Rosenblätter und Honigtröpflein, wie Frau Haufe weiß, sondern sogar köstliche Pasteten und edler Nektar ans Herz fielen, aber sanft und ohne blaue Flecken, falls leztere nicht noch kommen, wenn der Nektar anfangt seine Herrschaft in mir auszuüben. Wenn es sich mit der Dankbarkeit vertrüge, ein Geschenk zu recensiren, und wenn Sie mir nicht so herzlich lieb wären, so sollte ich Ihnen freilich einen kleinen Vorwurf darüber machen, und eben, weil Sie mir so lieb sind, und ich hoffe, es auch bey Ihnen ein wenig zu seyn, möchte ich es gerne thun. Denn zwischen Freunden wo auch ein halbes Duzend Lebküchlein oder Bretstellen oder so etwas, durch die Hand von der es kommt und durch das Gemüth, zu dem es geht seinen Werth erhaltet, und seine Freude erweckt, ist solch ein Geschenk fast zu kostbar. Aber weil denn doch recensirt seyn muß, denn das ligt in iedem Schulmann, als Schwester der Erbsünde, so will ich wenigstens von einer schönern und verständigen Seite her anfangen. Sie kennen mich sehr gut meine Freundinn! Sie wissen, womit man meiner Sinnlichkeit Festtage machen kann, was mein liebster Leckerbissen ist, und welchen Wein dazu ich vor allen erkiese, und ich gebe Ihnen für Ihre feine Wahl und für Ihre Güte meinen freundlichen Händedruck und meinen Dank. Sie hätten den König von Assmanshausen sehen sollen, wie er am Donnerstag Abend offene Tafel und Pastete hielt. Doch nein! Sie hätten es nicht sehen dürfen. Denn es kam auch eine, nur eine Bouteille des feinen Rothen zum Vorschein und ich konnte es meiner Eitelkeit nicht versagen, ihn für eigenes Gewächs aus meinen königlichen Weinbergen in Assmanshausen auszugeben, wenn schon kein so guter dort wachst, und machte meinen Gästen weiß, ich feyre meinen Beytntt zum rheinischen Bund.

Und weil es Sitte ist, das Söhnlein zu loben, wenn man von den Eltern beschenkt wird, so sollte ich iust deswegen es dismal nicht thun. Allein die Wahrheit und Gerechtigkeit läßt sich mit keinen Pasteten stumm machen. Daniel ist fortdauernd fleißig und brav, und erfüllt täglich die Hofnungen die wir früher von ihm gefaßt hatten, und berechtigt uns zu neuen für die Zukunft. Sie haben so manche trübe Stunde, meine Freundinn! Sollte der Gedanke, daß gute Söhne zu Ihrer Freude heranreifen, Sie nicht erheitern, und auch in der düstern Stimmung des Gemüthes mit dem Schmerz, den das Leben auch hat, aussöhnen können? Wenn keinem Herzen das Schicksal alle seine Wünsche befridigen kann, so scheint es Ihnen wenigstens das Beste zu gewähren, was eine Frau zu wünschen vermag, nemlich eine glückliche Mutter zu seyn. Werden Sie es durch Ihre Söhne immer mehr, und bleiben Sie es lange.

Herrn Weiler und dem Schneegansischen Hause meine herzlichen Grüße, auch dem Haufischen

Von Herzen Ihr redlicher Freund      Hebel             

d. 23. Merz [1808]

 

 

  zurück zur Briefübersicht


 

nach oben