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AN FRAU WEILER

   

Ich bin heute catholisch meine Freundinn und habe einen Feyertag, nemlich einen Liebfrauentag. Die Botaniker haben ein Liebfrauenmäntlein, dergleichen Pantoffeln, dergleichen Haar, ia sogar dergleichen Bettstroh. Ich aber schreibe heute lauter Liebfrauenbriefe, an Sie, an Mad. Schneeganß, an Mad. Haufe. Wie alles Ding in der Welt zwey Seiten hat, entweder eine rechte und eine linke, oder eine gute und eine schlimme, also hat der ledige Stand das schöne daß man ungenirt und mit unbeschwertem Gewissen allen guten Frauen bis ins Herz hinein und ganz vorzüglich gut seyn kann. Im Ehestand muß doch ex officio ieder seine eigene Frau für die beste halten, und alle andern und noch so guten um etwas weniger lieben, als die Beste.

Ich könnte Sie jezt merken lassen, daß ich zum Lehr- und Schulstand gehöre, und eine lange Bemerkung darüber machen, wie eben in der Welt alles gut eingerichtet sey und alles zu einem guten Ziel führe, wenn wir nur den rechten Weg wissen und gehn. Aber ich will klug seyn. — Unser Daniel fahrt fort, durch Fleiß und Artigkeit unsern Hoffnungen und Wünschen zu entsprechen. Ich würde ihm sehr gerne, und noch lieber, weil Sie es selber wünschen einen besondern Unterricht im Hebräischen geben, werde auch etwas zu seiner Zeit mit ihm lesen. Jezt aber meine Beste, wäre es ganz unzweckmäßig. Es fehlt ihm nicht an Kopf. Er ist auch in dieser Lektion nicht hinter seinen Mitschülern zurück. Vielmehr ist sein Lehrer vollkommen mit ihm zufriden und rechnet ihn zu den Besten. Bekäme er auch im Anfang einen Vorsprung vor allen, so müßte er irgend einmal doch wieder auf sie warten. Allein dieser Zweck würde nicht einmal erreicht werden. Jeder Lehrer hat seine eigene Methode. Daher wird ein Anfänger, so lange er noch nicht das wesentliche und zufällige unterscheiden kann, durch zweierley Unterricht und Methode nur confus, und gewinnt nichts dabey. Gern will ich glauben, daß dem guten D. der Anfang schwer wird. Es gibt viel neues zu lernen, und dis viele ist trocken und scheint unfruchtbar, bis man die Anwendung davon bekommt, wie in ieder Sprache. Allein das muß einmal durchgemacht und überstanden werden, ob er einen Lehrer hat oder zwey. Jedoch weiß er, daß er zu mir kommen darf und willkommen ist, so oft er einen Anstand hat, und Nachhülfe zu bedürfen glaubt. Und Sie glauben mirs ia doch auch, nicht war? daß ich iede Gelegenheit ihm nützlich zu seyn gerne benutze. Wegen der Rechnung, an die Sie mich erinnern, seyen Sie ganz ruhig. Ich habe sie nicht vergessen, sondern nur verlohren — aber doch blos unter meinen Schriften, wo ich sie schon wieder finde. Einsweilen gebe ich Ihnen diesen Brief, und wenn Sie wollen mich, als Unterpfand für die Quittung. —

Leben Sie wohl, meine Theure! Wenn es doch nur kein Liebfrauen Kopfweh mehr gäbe. Die Botaniker könnten dafür ein par neue Pflanzen erfinden, und sie Halstuch und Ohrenring und Fingerhut nennen, oder wie sie wollten. Empfehlen Sie mich Herrn Weiler. Ich bin von Herzen

Ihr ergebenster      Hebel             

d. 7. Juni [1807].

 

 

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