zurück zur Briefübersicht |
|
||
AN FRAU WEILER |
|||
Meine theuerste Freundinn! [21.—25. Oktober 1806] Daß unser guter Daniel zur bestimmten Zeit gesund und wohl bei uns angekommen ist, wissen Sie schon aus seinem eigenen Brief. Es war mir sehr angenehm, daß der Vorsteher unserer Lehranstalt die vorläufige Prüfung desselben mir selbst anvertraut hat, und noch mehr vergnügte mich der Erfund seiner Kenntnisse. Entweder war er leztes Frühiahr, als ich in Ihrem Hause eine kleine Prüfung mit ihm vornahm, etwas verlegen und verrieth nicht, was er in sich hatte, oder er hat in dieser Zwischenzeit sehr glückliche Fortschritte gemacht. Genug er leistete mehr als ich erwartet hatte, und ich konnte ihn in die zweite Classe unseres Gymnasii empfehlen, und ihm Hoffnung machen, wenn er recht fleißig sein würde, bis Ostern in die erste zu kommen. Herr Kirchenrath Sander hat ihn in seinem Hause sehr freundlich aufgenommen. Vielleicht haben Sie ihm selber schon geschrieben, oder thun es noch. Er ist ein Mann, der viel Sinn für dergleichen Beweise von Aufmerksamkeit gegen ihn hat, und sich nicht darauf einschränkt, das zu leisten, wofür er bezahlt wird, sondern auch gerne und mit vieler Kunst und Delikatesse auf den Verstand und Charakter seiner iungen Haus und Tischgenossen wirkt. Da sich Daniel ietzt noch mit solchen Lehrgegenständen beschäftiget, die in jedem gelehrten Fache erforderlich sind, und in iedem gebildeten Stand zur Empfehlung dienen, so mag er immerhin in der Wahl eines Berufs noch unentschieden seyn. Alles was er ietzt zu lernen hat, ist dem Arzt, dem Rechtsgelehrten und Geistlichen gleich nöthig und nützlich. Genug, daß er sich einsweilen zum Studium scheint entschieden zu haben. Biß zum letzten halben Jahr, ehe er die Universität bezieht steht ihm, wenn er zur Vorsorge doch das Hebräische mitlernt, die nähere Wahl noch immer offen. Unterdessen wird sich schon eine bestimmte Neigung entwickeln, und er wird ein Jahr später besonnener wählen, als ein Jahr früher. Ich wünsche und hoffe, Ihnen immer angenehme Nachrichten ertheilen zu
können möchte ich Ihnen auch rühmen, wie enthusiastisch ich in diesem Krieg Ihre Parthie, nemlich die Französische vertheidige. Aber theils will ich doch an ein so frommes und sanftes Gemüth wie das Ihrige keine kriegerischen Discourse adressiren theils habe ich auch nicht mehr Zeit. Meine herzlichen Begrüßungen Ihnen und dem Schneegansischen Hause. Leben Sie wohl meine Freundinn! J. P. Hebel
|
|||
zurück zur Briefübersicht |
|