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AN SOPHIE HAUFE |
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d. 7. Febr. [18]24 Was Sie mir theuerste Freundinn über Ihre veränderte Verhältnisse geschrieben haben, beunruhiget mich tief. An diese Ursache Ihres beiderseitigen langen Stillschweigens hatte ich nicht gedacht, wie wohl ich auch darüber oft in mancherlei Besorgnissen war, und Sie oft darum befragen wollte. Sie wissen, wie mich Ihre Liebe und Nachsicht verwöhnt hat. Aber ich weiß es Ihnen nun vielen Dank, daß Sie mir nicht eher geschrieben haben, als bis Sie mir, was das Weltliche betrift, wie Sie sagen, mit der Nachricht von der Veränderung auch das Weitere schreiben konnten, was wieder Trost und heiternde Aussicht gibt. Was Sie in so vielfacher Hinsicht mögen gelitten haben, kann ich denken, und möchte mich gerne trösten, daß meine Vorstellung vielleicht übertrieben sey. Wenn ich nur Ihren Körper gesund und fest wüßte, was ich von dem Geist erwarten darf weiß ich, den ich schon so oft im Dulden und Vertrauen stark und bewährt und versöhnlich mit dem Schicksal gefunden habe. Ich sehne mich nach dem ersten Brief Ihres guten Gatten, der mir auch seine wiederhergestellte Gesundheit verbürgen möge, noch mehr aber nach einer Stunde, in der ich wieder mit euch sprechen könnte. Es ist noch entsezlich lange bis Pfingsten, aber doch denke ich dort hinaus und an das liebe, mir durch Ihre Besuche so lieb gewordene Thal. Nach keiner Richtung hin hat mein Ohr nach einem Zeugniß über die bibl. Geschichten mehr und sorglicher gelauscht, als über die Rheinbrücke, und fast möchte ich sagen, wenn Sie etwas Verdienstliches darinn finden, daß ich das Verdienst Ihnen verdanke. Denn immer wenn ich schrieb habe ich mir meinen alten Schulmeister Andreas Grether in Hausen und mich und meine Mitschüler unter dem Schatten seines Stabes, oder ich habe mir eine Repräsentantinn aller Mütter unter ihren Kindern, und immer die nemliche gedacht, und uns, mich als Schulbüblein mit gerechnet, um unser Urtheil gefragt. An die eigene Mutter durfte ich nie denken, Hübner war zu sehr ihr unerreichbares Höchstes. Daß Dolls ihre älteste Tochter in der schönsten Blüthe ihrer Jahre, und in der zartesten ihrer Tugenden verlohren haben, wissen Sie vielleicht. Vater und Mutter ertragen ihren tiefen Schmerz mit un- ..... begreiflicher Gottesergebenheit. Kurz vorher endete Sander seine leidensvollen Tage, mit dem ich in 32 Jahren viel lieb und leid durchgemacht habe. Unter solchen Menschen lernt man leben und sterben. Sander verkürzte seinem Krankenwärter noch in der lezten Nacht die Zeit mit Erzählungen aus seiner Jugendgeschichte, rauchte alsdann in der lezten Stunde, mit dem Bewußtseyn, es sey die lezte, noch ein Pfeiflein Tabak. Beide giengen mit einander aus. Um nicht mit dem Sterben zu schließen, wie wohl es alles schließt, setze ich mich noch einen Augenblick mit Ihnen an die Sägmühle, und trinke auch ein Pfeiflein Tabak. Mit herzlicher Liebe Ihr Hbl.
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die bibl. Geschichten:
Hebels Biblische Erzählungen |