zurück zur Briefübersicht

 

   

AN SOPHIE HAUFE

   

Sie lassen mich theuerste Freundinn zu lange auf das versprochene erste Brieflein warten. Es sind zwar noch nicht zwei Wochen vorüber. Aber auf etwas Liebes wartet man gern kurz. Außerdem haben für mich, der ich selten aus dem Ort, und dann nur zunächst um die Mauern herum komme, solche Reisen wie unsere letzte war, schon die Wichtigkeit von großen-, nach deren Beendigung man gerne wissen möchte, recht bald erfahren möchte, ob alles wohl und glücklich ohne Reiseabentheuer, oder mit solchen, aber angenehmen wieder heimgekommen ist. Das lassen Sie mich erfahren und noch mehr, wenn Sie mir gut sind, daß Sie mir gut seyen. Gleichwohl will ich Sie einsweilen noch mit einem ausführlichen Auszug aus unserm Reise-Journal verschonen. Wir sind wohlbehalten wieder hier, nur daß ich immer noch ein wenig müde bin, und unruhig wegen dem lezten Abend. Was hilft es mir, daß ich drum herumgehe, und mich gegen mich selbst sperre, und nicht selbst thue, was ich für den besten Rath halte, den ich andern geben kann. Ich habe eine Frage, die Sie in einer guten Laune an mich gethan haben, nicht aufgenommen, wie ich sie hätte sollen aufnehmen. Ich bin — gerade herausgesagt — unartig gegen Sie geworden. Es ist ein schweres Geständnis, das ich Ihnen ablege, aber ein gerechtes. Jener Augenblick hat mir den Rest unsers Beisammenseyns verbittert, und alle schönen Stunden, die ihm vorangiengen in einen halben Hintergrund gestellt. Ihr Versprechen, mir zuerst wieder zu schreiben, wenn ich ihm schon zuvorkomme, ich konnte es nicht länger ertragen, läßt mich hoffen, daß ich an ein Gemüth schreibe, das zum Vergeben zum Voraus bereit war. Wenn Sie mir diese Hoffnung bestätigen wollen, so schreiben Sie mir bald, so freundlich wie Sie gewohnt sind, aber gerade über diesen Gegenstand nichts, und was ich Sie bitten will, werden Sie nicht behutsam gegen mich, wägen Sie mir die Worte in Zukunft nicht ab. Wenn Sie ia etwas thun wollen, so setzen Sie mich vielmehr auf die Probe, ob ich noch einmal so seyn könne, wie man bisweilen Kinder auf die Probe setzt, ob ihre Thränlein ihnen ernst sind.

Grüßen Sie von mir alle Ihre Lieben! Zanken Sie noch ein wenig mit meiner Pathe, daß Sie sie nicht mitgenommen haben. Nimm nun freundliches Töchterlein das Wort meiner Liebe schriftlich von mir an. Gott beglücke dich mit allen Segnungen der heilsamen Lehre und des frommen Glaubens, dem wir dich durch die Taufe gewidmet haben, und den du nun selbst freudig bekannt und gelobt hast. Fahre fort deine Eltern mit kindlichem Sinn gegen sie zu erfreuen, und lege dir selbst einen reichen Schatz von Freuden und Tröstungen in das Herz nieder, deren das Leben, auch das glückliche bedarf. Möge dir das glücklichste zu Theil werden!

Leben Sie wohl meine Theuersten. Aufrichtigst Ihr ergebenster      Hbl.    

d. 6. Juni [18]22.

 

 

  zurück zur Briefübersicht

meine Pathe: Karoline Haufe war Palmsonntag 1822
konfirmiert worden.

nach oben