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AN SOPHIE HAUFE

   

Liebe Freundinn!                                                                       7. Aug. [1818]

Ich sollte Ihnen auf Ihr schönes frohes Schreiben vom 26. Febr. nicht so prompt antworten, als ich thue, weil ich in demselben gleichwol nicht mehr Ihr lieber Freund oder so etwas sondern nur Ihr geehrter Freund war. O Frau Sophie, wie weit bring ichs noch in der Welt! Gleichwohl liebe, sehr liebe, und noch extra auch von mir geehrte Freundinn, war ich recht unglücklich damals, daß ich nicht sogleich zu Ihnen hinauf fliegen, und es Ihnen verzeihen konnte, und bin es noch, weil ich noch nicht kann. Es ist gar zu hart einen Groll so lange in sich herum tragen zu müssen, und ihn nicht gleich in einem Kuß und Händedruck erdrücken zu können. So geschehe es denn hiemit in effigie, wobei Sie zwar, wie ich so eben bemerke, viel riskiren. Denn ich finde etwas so liebliches in der Aussöhnung mit Ihnen, daß ich nicht gut dafür stehe, ob ich nicht noch in diesem Brief zum Zweitenmal anfange, wie Gmelin in Valencia sich von seinen Strapazen so angenehm erholte, daß er allemal wünschte, „wenn ich nur schon wieder müde wäre." — Wenn ich nur schon wieder Verdruß mit Ihnen hätte!

Hiernächst war ich Ihnen auf ienen Brief auch eine schöne Vorlesung über die Vorsehung schuldig die sich freilich im Garten unter lieben freundlichen Menschen besser halten ließe. Denn wenn ich stecken bliebe, fiele Ihnen vielleicht ein schöner reifer Apfel vom Baum herab, wo noch viel Hundert hängen in den Schoß, oder ein lustiger Vogel begänne auf dem nächsten Ast seine Lobrede auf die Vorsehung in lebendigen Accenten, oder ein Kindlein schaute eine Blume an, und lächelte. Sie haben wohl recht, daß der Mann, der das Bedürfniß eines Auf Schlusses über den Zusammenhang der Dinge allermeist im Kopf hat, am Ende zu einer ganz andern Vorstellung von der Vorsehung kommen kann, als Ihr Geschlecht, dem das Bedürfniß mehr im Herzen ligt, und ich wollte keinen Anstand nehmen, Ihnen meine Vorstellung mitzutheilen, die mich sehr beruhiget, und hauptsächlich dahinaus lauft, daß wir nicht viel von der Sache wissen, und das Ende abwarten müssen, wie wenn wir zum erstenmal ein Haus bauen oder einen Schuhmacher ein par Stiefel zuschneiden sahen, zumal, wenn wir vorher noch keinen Fuß gesehen hätten. Allein wenn mich meine Vorstellung nicht mehr beruhigen wird, so wollte ich ia lieber zu Ihnen kommen, und Sie um die Ihrige fragen. Denn es ist mir nicht zweifelhaft, daß in einer so geheimnißvollen Sache das Herz eines frommen Weibes der Warheit durch Ahnen näher ist, als der Kopf eines Mannes durch die Spekulation. Oder ist nicht eine fromme Mutter selber eine göttliche Vorsehung im kleinen, wie das Wachslichtlein eine Sonne, und gleichwohl fragen Sie noch einen Mond. Doch davon einmal mündlich, aber die nemliche Vorsehung weiß, wann. Ich glaube, Sie müssen sich manchmal selbst darüber wundern, daß ich so wohl mit ihr zufrieden bin, und im Glück meiner Freunde nicht nur wenn ichs sehe, sondern auch nur höre so glücklich seyn und die Reisen ins Oberland heimlich mit Ihnen machen, oder blind mitfahren kann, wie wir dismal mit einander im Oberland in Ihrem Bergschloß gewesen sind. Sie schreiben mir wohl einmal ob auch alles so gewesen ist, wie ich mirs vorstelle. Denn es liegt mir viel mehr an diesen Berichtigungen als einem gewissen Plastiker in Hamburg an den seinigen, der aus Beschreibungen und Phantasie ein Bas relief von dem Montblanc und seinen Umgebungen verfertigte und in Abdrücken an die Engländer verkaufte, um hernach mit dem erworbenen Geld eine Reise dahin zu machen, und zu sehen, obs auch so sey. — lez erlauben Sie mir mich mit ein par Commissionen an Freund Thurn zu wenden. Ich bedarf, zwar zu einem sehr gemein literarischen Zweck die dänischen Balladen die ich Herrn Münz schickte, wenn sie ihre Zirkulation in KI. Straßburg vollendet haben. Es ist unhöflich, wieder zu fordern, aber durch einen Dritten gehts glimpflich wenn Sie wollen so gut seyn. H. Beck, dem es sehr gut geht, und der Ihnen sehr dankbar ist, hat mir 4 pr. Thlr. für Sie gegeben. Ich bitte Sie um Gelegenheit, sie Ihnen zuzusenden. Meine herzlichen Grüße dem Schneegansischen Hause und allen unsern Freunden. Wie geht es dem guten August.

Mögen Sie immer froh und glücklich seyn, und immer gut

Ihrem aufr. Freund     H.    

 

 

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Gmelin in Valencia: Hebels Freund, der Botaniker Gmelin,
hatte in jungen Jahren studienhalber in Spanien geweilt.
Bergschloß: Schloß Mahlberg, wo Sophie Haufe des
öfteren im Haus des Landrentmeisters Herbst weilte,
dessen Nichte Friederike mit ihr befreundet war.
die dänischen Balladen: altdänische Heldenlieder.

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