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AN SOPHIE HAUFE

   

Ihr lezter Brief, meine Freundinn hat mir das Herz zu schwer gemacht, als daß ich so geschwind wieder antworten konte als ich wollte, und wegen seines Inhalts hätte sollen. Zwar haben Sie die böse erste Hälfte desselben, durch die zweite selber wieder gut gemacht. Nicht ganz! Aber obgleich geheilte Wunden sonst immer noch um etwas schlimmer sind, als gar keine, so will ich doch, nein liebe Frau Sophie, ich will Ihnen keine Vorwürfe machen, und Sie zum Voraus von aller Reue priesterlich absolviren. Es kostet mich keine große Ueberwindung gegen Sie, und noch wenige Frauen, aber gegen keinen Mann, kaum gegen den Ihrigen, lieber Unrecht als Recht zu haben und ich verspreche Ihnen, und stehe Ihnen und mir gut dafür, eh' dieser Brief geendigt ist, soll das Stichlein so glatt geheilt seyn, daß es unmöglich seyn soll zu erkennen, wo es hinein gegangen ist, denn ich weiß den lezten zarten Heilbalsam, der etwa noch nöthig ist, aber auch dieser nur zur Vorsorge, doch nirgends besser zu holen, als wieder gerade bey Ihnen selber.

Aber schwerer, und wie eine Unmöglichkeit kam es mich an, Ihnen noch einmal sagen zu müssen, was Ihnen beiden schon das erstemal so weh gethan hat, das heißt, euch zum zweiten mal weh zu thun, und mir selber den Stab zu brechen, und das VerbannungsUrtheil zu unterschreiben. Auch überlegte ich hin und her, was das freundlichere im unfreundlich scheinenden sey Euch noch einmal einen Brief unter die Augen zu schieben und vielleicht noch einmal einen Anflug von Hoffnung zu wecken, um sie noch einmal zu zerkniken und zu zerdrücken, oder durch Zögern vielleicht die gemäsigtere Mischung des Hoffens und Zweifelns in euern freundlichem Gemüthern zu erhalten, bis der Tag erschien, an dem ich gerade schreiben muß, damit Sie gerade an dem Tag, an welchem Sie mich selbst erwarteten und gerne hätten, midi wenigstens in einem Brief bekommen. O, daß Sie wüßten, wie viel ich entbehre, oder wie sehr ich fühle, was ich entbehre, und wie ich gegen die harte Nothwendigkeit kämpfte,und wie ich iezt noch in die Kette beiße und wie mir gestern noch einmal der Kirchenrath Ewald im Schluß seiner Predigt ins Herz riß, als er schön und rührend und lebendig lehrte, was man noch sterbend seinen Freunden seyn soll. Denn ich dachte: warum nicht lieber lebend, und einweihend zum Leben, zum frommen seligen Leben durch die Taufe. O meine liebe Kinder, ich bin noch nie lieber 8 Tage hier gewesen, als einen in Straßburg, und habe es noch nie für eine Kleinigkeit gehalten, eine Kleinigkeit zu taufen, (und vollends bey dieser Gelegenheit unser Bischof in Klein Straßb. zu
werden) und etwas dabey zu sagen. Man hat *)
eine schönere Gelegenheit, als *)
solchen Kindlein, mit *)
Anfang ohne Ende auf dem *)
göttliche Vorsehung zu bewu *)
zu preisen und nie größeres *)
an sie zu glauben, und ihr z *)
en, wenn einem das Kindlein *)
Aber stille! Sonst maure ich *)
ganze Einweihungsrede ein, *)
diesem Punkt ausgegangen wä *)
der Keim davon, und alles was da *)
sey Ihnen doch zu Ihrem *)
Herz gelegt.

Ich weiß nicht, ob mich ein guter oder böser Genius, gerade auch auf den Ostermontag zu einem Mittagsschmaus in der neuen Lesegesellschaft subscribirt hat. Ich werde wenigstens viel in Straßb. seyn, und wenn mich iemand fragt, wo der oder iener hingekommen sey, werde ich sagen: Sie kommt gleich wieder, sie sieht nur nach dem Gustav. Mad. Schneegans ist auch mit und denkt an den ihrigen.

Iezt beste Freundinn bin ich wieder geheilt von dem Bienenstich, und gebe Ihnen einen Kuß, und meinetwegen dem Mann auch, ders ohnehin glimpflicher gemacht hat. Es war wirklich nur ein Bienenstich, der zugleich viel Honig in die Wunde goß. Denn ich sehe wohl was hinter Ihren Vorwürfen steckt, wie gerne Ihr mich gehabt hättet, wie sehr Ihr mich liebt, fast mehr, als ich wüste, und es thut mir noch weh, daß ich euch weh thun mußte. Mußte! An diesem Brief schreibe ich seit 7 Uhr bis iezt um halb eins ohne einen Augenblick zu feyern, die übrige Zeit gieng mit verdrießlichen Unterbrechungen verlohren. Was werde ich noch 8 Tage lang für Unmuth ertragen müssen, von dem Ihr nichts wißt, biß ich gegen 30 Ankömmlinge, die alle einzeln und verzettelt kommen, geprüft und angenommen, 12 Abgehende mit Entlassungsschreiben versehen und die Protesta... Abweisungen mündlich und schriftlich .. . nun noch eins! In ihrem nächsten kein Wort mehr von Ihrem lezten. Gewiß nicht! Bey Leib und Leben nicht.

Von ganzem Herzen Ihr Freund      Hebel           

CR. d. Iten April [180]9

 

 

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*) An diesen Stellen ist der Rand des Papiers zerrissen.

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