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AN SOPHIE HAUFE

   

d. 20. bis 26. April [1806]    

Ich hätte euch mein lieber Minister, wie auch mein lieber Reichspostmeister, zum Dank für euere Freundlichkeit schon früher schreiben, und nicht nur meine glückliche Heimkunft über ein par im Weg ligende Pappelbäume kund machen, sondern auch mancherley Versprechungen früher halten sollen, als ich thue, allein —

Das Allein ist nach solchen Vordersätzen, wie der meinige hier, nicht selten das Einlenkungszeichen von der richtigen Bahn der Warheit auf den Fußpfad der Lüge, zumal wenn ein Gedankenstrich darhinter steht, der so viel zu sagen scheint, als man wisse selber noch nicht was man glaubwürdiges lügen will. Ich iedoch lüge dismal nicht, und nie wenn ich an euch schreibe, und darum soll auch das Allein, da oben so isolirt, oder wie der Landchirurgus Vogel in L.[örrach] wohlklingender sagt, so insolirt und abgerissen dort stehen bleiben, wie das Dorf Kehl.

Was habe ich euch nöthig zu lügen wenn ich viel wahres zu sagen weiß. Ich bin euch herzlich gut. Ich habe liebe frohe Tage bey euch zugebracht. Gott gebe euch viele dergleichen.

Und gleichermasen, wie einst mein seliger Pflegvater Kirchenrath Preuschen als Diakonus in Schopfheim der christlichen Gemeinde verkündete, daß biß künftigen Mitwoch, geliebt es Gott, der monatliche Büß und Bettag nicht werde gehalten werden, also wird auch die Straßburger Böttinn in dieser Woche, geliebt es Gott, das versprochene Paquet noch nicht mitbringen, lediglich darum, weil ich die Bücher noch nicht beysamen habe.

Es ist mir recht lieb für Euch mein lieber Minister, aber leid für Euers Mannes Schuhmacher, daß ich Euch keine Aufträge mehr an Zyx und Simon geben kann. Es kann dismal alles ganz ruhig an seinem Golddraht, an seinem Strickzeug, an seinem Jean Paul sitzen bleiben.

Wie steht es um die gute Frau Louise?

Ich hoffe in dem Brief, den Sie mir nächster Tagen schreiben werden, recht gute Nachricht von ihr zu erhalten, und bin mit allen freundlichen Gesinnungen

Euer ergebenster    H.     

N. S. Gestern besuchte mich ein appanagirter Prinz von Assmanshausen, Enkel Unsrer Dante Elisabeth, der als Bäckerknecht in Straßburg Arbeit suchen will. Ich gab ihm Ihre Addresse mit, lediglich auf den Fall wenn er Arbeit finden sollte, es Ihnen zu sagen, damit ich ihn durch Sie wieder zu erfragen, wüßte. Heute war er wieder bey mir in Begleitung seines Reisemarschalls, der schon zehen Jahre auf der Wanderschaft des nemlichen Handwerks herumfährt, nach allerley äußern Vermuthungsgründen iedoch mehr Profession vom Prellen als vom Bretstellen und Backen zu machen scheint. Zur Verhütung iedes möglichen Mißbrauchs der etwa durch Vorweisung meiner Handschrift bey Ihnen könnte gemacht werden, avertire ich Sie, daß sie zu lediglich keinen Anmuthungen berechtigen soll, und wenn nicht der Vorweiser ein 17.iähriger, Mensch von kleinem aber kräftigen Aussehen, freundlichem und unschuldigem Gesicht und schüchternen Benehmen ist, so iagen Sie ihn ohne Gefahr als einen Betrüger zum Tempel hinaus.

 

 

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insoliert: isoliert.
Zyx und Simon: Benjamin und Zyx und Frédéric
Sigismund Simon, Kupferstecher in Straßburg,
Illustratoren von Hebels Alemannischen Gedichten.
Bretstellen: Brezeln.
Frau Louise: Sophie Haufes jüngere Schwester, die kurz
vorher geheiratet hatte und ihr erstes Kind erwartete.

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