zurück zur Briefübersicht

 

   

AN SOPHIE HAUFE

   

d. 16ten Juni [1805]     

Das geht nicht an, meine beste Frau Sophie, daß Sie mich zur Gouvernantinn der Reisenden machen, wenn schon Sie als Weib Staatsminister und Intendant seyn können, und es geht mit dem Geschlechtswechsel nicht so leicht. Fragen Sie nur die Geschichte und Ihre Erfahrung so werden Sie finden, daß zwar alle männlichen Aemter von Weibern wohl bedient werden können, aber kein weibliches von einem Mann. Ihr Geschlecht hat zum Beispiel schon Könige gelifert, wie den König Maria Theresia, und Staatsminister und Intendanten, wie Sie, lesende Professoren auf dem Catheder und gelesene Schriftstellerinnen auf der Toilette, wie Wilhelmine Müller geb. Maisch, kommandirende Feldfrauen wie das Mägdlein von Orleans und gemeine Grenadiere in Reihen und Gliedern, z. B. in der Revolution, Steuerfrauen auf dem Vierwaldstätter-See, Doktores Medicinä ohne Zahl und Profeten nicht weniger, obgleich das männliche Geschlecht selber nur 4. Große und 12. Kleine zählt, Straßburger Böttinnen, z. B. die, welche Ihnen diesen Brief gebracht hat, Flautenisten, wie Madm[oiselle] Fellmeth, Violinisten wie Madm. Meyer in Lichtenthal, Kellerinnen z. B. im Darmstädter Hof, ia Großkellerinnen, Abtissinen und Ritterordensdamen, Beichtmütter und Friedensrichterinnen soviel als Aerzte, Hausherrn sogar. Selbst Papst Johannes der Achte soll wie die böse Welt behauptet mit dem Taufnamen Gilberta geheißen haben, und gar nicht der Meinung gewesen seyn, daß sie der heilige Vater sey. Gegen soviele tausend Beyspiele werden Sie nur wenige, oder vielmehr keines finden, daß sich ein Mann zu einem weiblichen Amt bekannt hätte, abgerechnet den König Sardanapal, den Held Achilles und den Gott Herkules, der bei der schönen Omphale in die Strickschule gieng. Denn selbst der Schneider ist nichts weniger als eine männliche Näherinn, z. B. der Hörner, oder der Unverzagt, sondern alle Näherinnen sind weibliche Schneider. Daraus müßen Sie aber ia den Schluß nicht zum Nachtheil Ihres Geschlechtes machen, daß dasselbe geneigter sey, als das männliche, sich aus seiner Sphäre herauszusetzen und in andere Geschäfte zu mischen. Das gar nicht. Das einzige was daraus folgt ist das, daß ein vigilantes Weib zu allem zu gebrauchen ist, ein Mann aber nur zu einem, was er gelernt hat, und dazu nicht immer, z. B. Ich. So gibt es zum Beispiel Frauen, die einen so lieb und schön zur Reise nach Basel einladen können, daß man sogleich die hebräische Bibel, in der man gerade las, dem ersten vorbeigehenden Juden schenken, und den Augenblick in den Wagen springen möchte, z. Beispiel Madame Haufe und Weiler und zum sichersten und kläglichsten Beweiß, daß ein Mann nicht alles kann, was er will, der arme Professor Hebel kann nicht, und der Jude bekommt die Bibel nicht.

Ernstlich von der Sache zu reden, meine beste Freundinn, wenn Sie es für keinen Vorwurf ansehen wollen, daß ichs sage, Sie haben mir mit Mad. Weiler und H. Frantz zusammengenommen, das Herz recht schwer gemacht durch Ihre Einladung, und dieser Beweiß Ihres allerseitigen Wohlwollens, wie soll ich mich ausdrücken, er ist mir so erfreulich und werth, und sezt mich doch in Verlegenheit und Unmuth, daß ich dieses Wohlwollen nicht durch Erfüllung Ihres Verlangens erwidern darf. Herrn Haufe, wenn er nicht Ihr Mann wäre, und so brav, wie der Mann eines solchen Weibes seyn muß, .möchte ich condemmniren auf der ganzen Reise Wasser trinken zu müssen, daß er ein fliehendes Wort, welches selbst im unüberlegenden Frohsinn mehr den Wunsch als die Möglichkeit, geschweige die Warscheinlichkeit und Hofnung mitzureisen aussprach, so auffasse und mich dabey nimmt. Da er aber, wie gesagt, Ihr Mann, und sonst so brav und gut ist, so weiß ich mich nicht besser zu rächen, als ich ernenne Sie auch noch zu meinem Justiz-Minister, und überlasse es Ihnen, ihn zu strafen, wie Sie es gut finden. — Da ich mich nun so bazzig gemacht habe, so werden Sie auch auf die Gründe warten, warum ich nicht mit kann. Allein ich werde Herrn Pf. Frantz bitten, Ihnen dieselben mitzutheilen, damit Sie nicht so viel von mir lesen müssen, als ich Ihnen gerne schreiben mag. Grüßen Sie mir den Malefikanten, ehe Sie ihn mit sieben Umarmungen strafen, oder auch nachher, und reisen Sie glücklich, Sie mögen blos mit der Seele, oder auch mit den Fersen und Fäusten dabey seyn. Hier siehts aus, als ob ich schließen wollte, ich habe aber noch einen Nachtrag zu meiner Heimreise von Str[aßburg] zu liefern. Allein ich will mich hier an Herrn Haufe wenden, theils damit Sie abgelöst werden, theils um auch von ihm wieder eine Antwort zu verdienen. Gestern (ich rede mit Herrn Haufe) fragte mich Rittmeister Cancrin, ob ich meinen Pudel wieder bekommen habe. Es sey ein schöner Hund. Der Mann habe sich bei ihm erkundigt, wo ich wohne. Als ich Abends nach Hause kam, war der Mann wirklich da gewesen, aber wieder fortgegangen. Er behauptete, ich sey in der Osterwoche durch Lichtenau gegangen, und habe meinen Hund verlohren. Er habe es kürzlich erfahren, da bringe er ihn. Närrisch! Das herrenlose Hunde gefunden werden können, wenn ich auf der Straße bin begreife ich. Aber wie man an mich kommt, da ich so unbeschrien, und wie ich glaubte ungekannt durch Lichtenau gieng, und wer mich kennt, wohl weiß, daß ich mit keinem Pudel selbander gehe, begreif ich nicht.

Daß die Feinäiglische Akademie der Erinnerungskunst doch noch zu Stande kam, freut mich, und bringt mir zwiefachen Vortheil. Denn erstlich wird sich nun der Pater überzeugen, daß ich seiner Kunst nicht das böse Wort gesprochen habe, wie er glauben mochte, zweitens können wir doch in Zukunft frey über die Sache sprechen, oder, wozu sie noch mehr Stoff bieten wird, lachen. Ich wünsche daß Sie der Kunst auf Ihrer Reise in einem hohen Grade bedürftig seyn mögen, um alles Angenehme im Gedächtniß behalten zu können, was Ihnen auf derselben wiederfahren soll, und weil ich Sie doch bereits durch meinen Minister der Gerechtigkeit habe grüßen lassen, so grüßen Sie mir auch meinen Minister der Gerechtigkeit!

von Assmanshausen      

CR. d. 16. Juni im Jahr Sternwarte Hirschgeweih (Ring) Lehnsessel.

Viele Empfehlungen und Grüße im Schneegansischen Hause etc.

 

 

  zurück zur Briefübersicht

bazzig: großtuend.

nach oben