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AN DANIEL SCHNEEGANS

   

D. 26t. April 1806        

Gott gebe euch, Ihr lieben freundlichen Menschen, viel Freuden zu dem stillen und frommen Sinn, den ihr dafür habt, und meinem kleinen Pathen vor der Hand einen gedeihlichen Schlummer und ein Erwachen mit Lächeln! Wenn mich iemand fragt, wo ich gewesen bin, so sage ich, im Hanauischen habe ich das Evangelium vom Creutz gepredigt, und habe mein Eigenes dabey gehabt; in Straßburg aber sey ich zu einer frölichen Osterwoche auferstanden, und wenn ich mehr frostig als witzig seyn will, so setze ich hinzu, ich sey auch gen Himmel gefahren, worunter aber nur die Besteigung des Münsters zu verstehen ist; denn eigentlich war es mir bei euch, auf der Erde wohl. Wenn mich aber iemand fragt, was denn das für ein Schneegans sey, von dem und von dessen Haus- und Blutsgenossenschaft ich so viel Wesens und Rühmens mache, so sage ich, ein zweibeiniger und der Nemliche, dessen Henriette mein Pathe sey, damit ist aber nicht iedermann zufrieden, sondern ich muß Sie bitten, mir mit dem Brief, den ich von heute über 8 Tage von Ihnen bekommen werde, Ihren Stammbaum zu schicken, denn, man fragt mich, ob Sie mit dem Herrn Schneegans in Creutznach verwandt seyen. Vor der Hand und um die Wahrheit gewiß nicht zu verfehlen, sage ich das einmal Ja, ein andermal Nein.

Die Diligence lief vom Stappel, als Sie mich mit Ihrem biedern Freund Minz kaum verlassen hatten. Wie gut wäre es gewesen, wenn ich die Gelegenheit benutzt hätte, mich mit Ihrem August im französischen zu üben. Lauter stockwelsche Lemaner waren meine Begleiter, und ich konnte einem einzigen von ihnen ein paar deutsche Schmeicheleien abgewinnen, als ich ihm beim Einsteigen in Bischofsheim auf einen Fuß von Hüneraugen trat. Ich bot ihm (wir saßen vis-a-vis) ein Duell auf Stiefelabsätze an, und wollte eben marschiren lassen, als die benachbarten Mächte auch etwas von Kriegsfuß fallen ließen. Der Condukteur übernahm die Rolle des preußischen Cabinets und vermittelte den Frieden. Es war ein Glück für die Welschen, denen ich ohnehin gram war, denn ich ließ sie's auf dem ganzen Weg entgelten, daß ich auf der Heimreise auf Karlsruh war.

Empfehlen Sie mich Ihrer guten Mutter, der Mme Schwarz, und Mme Weiler.

Herr Diakonus H[oltzmann] dahier, den ich immer im Sinn hatte, wenn von einer guten Versorgung des Herrn Weiler in Kost, Logis, und Leitung die Rede war, kann zu den iungen Leuten die er bereits im Haus und am Tisch hat, keine mehr annehmen, dagegen findet sich Kirchenrath Sander geneigt ein Mann in dessen Haus die iungen Leute besonders in Ansehung ihrer Moralität sehr wohl versorgt und berathen sind. Nur contrastiren seine Bedingungen etwas stark mit dem Ueberschlag den ich bei Ihnen, ohnehin etwas zu gering gemacht habe. Er fordert für Frühstück, Mittags und Abendtisch (ohne Wein) Logis (ohne Bett) Holz, Licht und kleine Aufwartungen wöchentlich 6 fl. facit iährl. 312 — oder für die Kost allein, ohne Frühstück, Holz und Licht, was ihm aber nicht die angenehmere Bedingung wäre, 4 fl. 30 und für das Logis iährlich 20 fl. — Letzteres aus einer Stube und Kammer bestehend müßte jedoch Daniel mit einem iungen Hrn. von Rotberg aus Rheinweiler theilen, einem gutartigen Menschen, der es bereits im Besitz hat. Sander ist nicht verheurathet, sondern läßt seine Haushaltung durch eine Haushälterinn besorgen. Dies mag zur Erklärung dienen, wenn er seine Preise vielleicht etwas höher setzen muß, als ein anderer. Ich bediente mich selber viele Jahre lang seiner Kost; — die Taxe für den öffentlichen Lehrunterricht ist in den 2 obern Klassen iährlich in allem acht Gulden, in den zwei letzten Jahren nennen wir unsere Schüler Studenten, damit wir doch auch etwas gleich sehen. Da nehmen wir die Ehre für Geld. Der Student zahlt nichts. Prifatinformation wenn sie iemand nöthig hat, oder dafür halten will, kostet für ieden Tag der Woche, monatlich 10, auch 11 fl. Für das Griechische würde Daniel wenige Wochen lang, besondern Unterricht bedürfen, da die gegenwärtigen Schüler der Klasse für welche er sich warscheinlich qualificiren würde, durchaus sehr schwach sind. So siehts hier aus. Bestimmung zu einer Wahl, muß sich Freundinn Weiler selbst oder iemand muß sie zu einer Entschließung bringen. Ich kann über die Einrichtung und Methode des Herrn Renzlov und ihre Zweckmäßigkeit in Vergleich mit der hießigen, nicht urtheilen, da ich sie nicht kenne; wiewohl ich die Wiederholung meiner Besorgniß nicht unterdrücken kann, daß die lateinischen Autoren, die er liest, nach der kleinen Prüfung, die ich mit ihm anstellte, durchaus zu schwer für ihn seyen. Ueberdieß bin ich an dem hießigen Institut selber Lehrer, und möchte also die Vortrefflichkeit desselben, und besonders meine eigene, allerdings vorzügliche Gelahrtheit und Methode, doch lieber von andern anpreisen lassen, als es selber thun.

Herzlich Willkomm soll er, und wer ihn bringt, uns seyn, wenn er kommt, und meine Liebe und alles womit ich ihm den Aufenthalt bei uns, meines Ortes, nützlich und lieb machen kann, sey ihm versichert. Ich finde daß ich heute sehr leserlich, und fast möchte ich sagen, schön schreibe. So will ich euch denn auch noch etwas schönes sagen, daß ich euch alle herzlich liebe, und mir ie und ie eine trübe Karlsruher Stunde, mit dem Andenken an meine Straßburger, und an mein eigenes Stüblein droben vergolde. Grüßen Sie mir Ihre Freunde, die guten freundlichen Menschen; die mir auch so manche iener Stunden schön eingefaßt haben; und behaltet was ich bitten will, ferner lieb

Euern redlichen Freund      Hebel              

 

 

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