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AN JUSTINUS KERNER |
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Carlsruhe 20. Juli [18]17 Dero schäzbares Schreiben vom 9ten d. M. traf ich nach meiner Rückkehr von Baden erst gestern an. Dieß zu meiner Entschuldigung wegen später Antwort. In Baden wurde mir das Glück zu Theil Ihro Maj. der Königinn vorgestellt zu werden. Sie sprach über Volksbelehrung und ihr Vehikel, den Calender, mit mir, doch nur im Allgemeinen. Was dieselbe veranlaßte von meiner unbedeutenden Anwesenheit Kenntniß zu nehmen, erklärt mir Ihr Schreiben. Sehr ehrenvoll ist das Zutrauen einer solchen Königinn zu meinen Talenten und höchst beglückend wäre das Bewußtseyn zur Zufriedenheit derselben ihm entsprechen zu können und wahrlich groß die Freude wieder einen lieben Adiunkt aus der Landsmannschaft des ersten zu gewinnen. Aber wenn Sie mir doch, theuerster Herr Doktor, die Aufgabe, einen Volkscalender für Würtemberg zu veranstalten, nur etwas näher bestimmt hätten. Denn ich mag sie nehmen in welchem Sinn ich will, so muß ich fürchten, wenn ich sie nicht in dem richtigen nehme, mich als Fremder einer Anmasung verdächtig zu machen, mit welcher ich mich an so vielen trefflichen Männern und Volksfreunden Würtembergs, die das Nämliche ohne mich veranstalten könnten, nie versündigen möchte. Wenn ich z. B. ienen Ausdruck, zwar etwas gezwungen, aber der Sache auch fast am natürlichsten, so nehme daß ich den Calender, d. h. die Lesestücke dazu schreibe und einem mir zu nennenden Herausgeber oder Verleger desselben zusenden soll, was auch an dem rh. Hausfreund mein einziges Geschäft war, so darf ich mir nicht verbergen, und Ihnen nicht erst sagen, daß es schwer sey, Nationalschriftsteller für ein Volk zu seyn, das man nicht als das seinige und so gut als das seinige kennt, und die Arbeit besser zu leisten als die Besten vermöchten, die es als das ihrige inwendig und auswendig kennen und in ihm wie wir alle in Gott leben, weben und sind, z.B. ich kenne die würtemb. Geschichte wenig und die Verfassung auch nur historisch und als eine fremde. Ihre erlauchte Königinn fordert von einem solchen Calender mit Recht Belehrungen in Haus und landwirtschaftlicher und medicinischer oder diätetischer Hinsicht. Gesezt ich kennte diese Gegenstände besser als die würt. Geschichte, wovon zwar der rheinische Hausfreund wenig Beweise liefert — aber welches sind alsdann die eigenthümliche Vorurtheile des Würtembergers, gegen welche gekämpft werden muß, welches die Mängel, die schädlichen oder auch die guten, aber noch sehr zu bessernden Gewohnheiten? Was verlangt oder verschmäht diese oder iene Lokalität? Doch da spräche wohl mein freundlicher Adiunkt: „Ich will des Blinden Auge seyn." Ich dürfte vielleicht nur die mir zugehenden Materialien in iene eigenthümliche Weise verarbeiten, die dem Hausfreund vielen Eingang und Beifall gewonnen hat. Aber da stünde ich wieder vor der alten terra incognita. Sie wissen was dazu gehört einem bestimmten Publikum das zu sagende so recht in die Wahrheit und Klarheit seines Lebens hinein zu legen und wie unerläßlich an einen Nationalvolksschriftsteller die Forderung ist, daß er während er quasi aliud agendo seine Leser belehrt, so viel als möglich zwischen ihren bekannten und ansprechenden Gegenständen sie herumführe, sie öfters an Bekanntes erinnere und sich ihnen gleiche, folglich sie und ihre Eigenthümlichkeiten wenigstens viel genauer kenne als ich, der sie nur an ihren Grenzstreifen wenig kenne. Ein anderes wäre es wenn man dort geneigt wäre Originalaufsätze des rh. Hausfreunds, die kein lokales Interesse haben, als Zuthat zu der kräftigen Hauskost des würt. Landcalenders, wenn sie dafür passen können, z. B. als Lauch oder Petersilie anzunehmen und wie sehr wünsche ich, daß Ihre erhabene Königinn eigentlich das möge gemeint haben, um mir die Beruhigung geben zu können, den Wünschen einer Monarchinn zu entsprechen, deren hohem Geist und Herzen auch das Ausland huldigen muß. Bitte Sie, bester Herr Doktor, das Geeignete aus diesen Mittheilungen Sr. Ex. dem Herrn Minister bekannt werden zu lassen. Ich darf hoffen sie seyen von der Art, daß meine Bedenklichkeiten nicht in die Gefahr kommen mit Ausflüchten eines bösen Willens verwechselt zu werden und biete Alles an was in meinen Kräften steht zu so schönen und wohlthätigen Zwecken mitzuwirken. Vielleicht kennen Sie den ehemaligen Calender des Schweizerboten nicht, von dem ich Ihnen einen Jahrgang zur Einsicht und Beurtheilung anbiete. Er kommt meinem Ideal eines zweckmäßigen Volkscalenders näher als ein anderer den ich kenne und ich würde dem hiesigen sogleich die nemliche Form und Einrichtung gegeben haben, wenn es in meiner Ermächtigung gelegen wäre. Ich bin mit aufrichtiger Hochachtung Dero gehorsamster Diener Hebel
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Justinus Kerner war von
seinem Bruder Karl, dem damaligen württembergischen Innenminister,
angeregt worden, |