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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

13. Aug. [180]9       

Es muß aller Ehren werth seyn, o Zenoides, wenn man alle Jahre einen Monat aus demselben herausstechen und flugsüchtig, heimwehselig das Land hinauf metzgen kann, biß man das Kälblein hat, und doch nicht sticht. Es ist der 12te Teil vom Jahr, wenn man will, oder es betrüge für ieden Tag eine Stunde, wenn man könnte, oder die Nacht dazu gerechnet, zwey. So ginge es auch noch au, aber so ist es

   iust, aß wemme Zuckerbrod und Nuß und was am Bäumli schö und glitzrig hangt
   uf einmal in e Suppeschüßle thät und stellti's umme.

So ist mir o Zenoides in die große Suppeschüssel zwischen dem Vogesus dem Jura und Schwarzwald, und auf das Tellerlein oder . Schüßelein dazu zwischen dem Hünerberg und der Lücken wohl viel schönes und glitzriges vom Schicksal eingesteuert und gehelset worden euere Liebe, euere Gesichter, euere Beine zum Mitlaufen, euere Bäume und Quellen und Kirchthürme und die Suppenschüßel selber. Aber es ist keine Befridigung in diesem Genuß, wie in keinem. Es ist ein Vorüberschweben aus der Heimath der Träume, ein italienischer Frühlingsmonat zu einem grönländischen Winter, ein Gedanke zum todschießen: „Da hab ich schon 25 Jahre gelebt, da bin ich daheim da gehöre ich hin, da sollte und könnte ich vielleicht seyn, und herumhüpfen von Blume zu Blume, wie ein Heustöffel, und kann nun höchstens nach Jahr und Tag, und nicht ohne Permiß der Obern, wieder einmal wie ein Fremdling in ein fremdes Land, wie ein Apostel Paulus in den Himmel hineinschauen. Doch nein, das war zu viel gesagt, nicht das Lezte, sondern das Vorlezte — wie in den Himmel schaue ich hinein, aber Dank sey es demselben, und euerer freundschaftlichen Anerkennung und landsmännischen Liebe, nicht wie ein Fremdling in fremdes Land, sondern wie ein Heimischer in die Heimath, wie ein Heustöffel in die Blumenkelche seiner Geburtsmatte.

Uebrigens hab ich es o Prenideset mit meiner Heimreise klug begonnen und mich in K. Kerns, zuerst, eh' ich in das Schif trat einen Abend und einen Vormittag lang von dem Freudenrausch abgekühlt und genüchtert. In das Schif aber stieg ich nit den Rhein hinab, so sehr mich die Fischsucht dazu anlockte, sondern den Rhein hinüber und meinte Wunder als mir eine 4tel Stunde herwärts Straßburg alle Canonen und Glocken das Siegesfest von Wagram ankündeten, was ich sehen und erleben werde. Nichts hab ich gesehen und erlebt als ein Taedeum laudamus und den Unfug des Commandirens und Präsentirens und Trommelns in der Kirche, der mir wenigstens alles feierliche Gefühl, das mich auch im leeren Münster benimmt, wegtrommelte. Denn es steht geschrieben: Dis Haus soll ein Bethaus seyn, ihr aber habt einen Exercirplatz daraus gemacht.

Daß ich in Bischofsheim den Hut verlohren habe, ist ein unbedeutender Beytrag zur Reisegeschichte, wichtiger aber, daß ich wieder hier angekommen bin.

Den kleinen Thaler von Schöpfen her, und den Feuerstahl, die ich bey dem Abschied scheine vergessen zu haben, hab ich bei dem Pf. v. Weil nebst ein par Büchern zur Uebersendung an dich zurückgelassen. Für erstem meinen Dank für leztere meine Entschuldigung, wenn ich dich bitte, sie zu den Piecen die du mir versprochen hast, zusammenzupacken, aber nicht als ob ich dich damit erinnern oder nöthigen wollte, dein Wort zu halten.

Jez Mineli zur Abwechslung drei Wörtli: Wenn der e Distelzwigli in d'Chappe baute, was wottisch mache? und wenn de ne Melchchübel hetsch aber ke Chue, was thätsch mache? Oder wenn der's Ditti in d'Wagle brünzleti, was miechsch?

Grüße und küße mir deine Kinder und ihre Mutter, empfehle mich deinen übrigen theuren Hausgenoßen, und grüße den Netoreck. Ich hoffe, daß deine Daube gesund geblieben sey, und ihr alle es seid.

Von Neuigkeiten ist hier alles still, auch von Lerm und Prunk. Alles ist in den Bädern und im Feld. Noch hoft man auf den Frieden. In Straßburg war von der Verschwörung alles still. Die wenigen Eingezogenen waren wieder entlassen, es war ohne Zweifel alles blinder Lerm, voreilige Furcht.

Wie stehts um die theol. Gesellschaft? Laß dich ia nicht von dem Versuch sie von den Todten zu erwecken, abhalten, und seid fleißig zu halten aus in Einigkeit in Geist.

Das Brieflein will enden
Zur Addresse das Blättlein sich wenden
und beginnen die freudige Fahrt.
Leb wohl dann o Lieber,
hoch schäume dein Freudenkelch über
und salbe dir Scheitel und Bart.
Meine Augenlieder
umschattet des Urgeists balsamisch Gefieder
 und zieht mich in Nachmittagsschlummer darnieder.
Es umgaukeln die Träume, wie Nebel
Deinen

redlichen    Jean Pierre Hebel       

 

 

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metzgen: inkognito reisen.
iust aß wemme Zuckerbrod und Nuß: aus Hebels Gedicht
„Noch eine Frage".

Heustöffel: Heuschreck.
Fischsucht: Verlangen, Sehnsucht (proteiscb).
Distelzwigli: Distelfink, Stieglitz.
Ditti: Säugling, kleines Kind.
Wagle: Wiege.
Netoreck: Karl Ludwig Hitzig.

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