zurück zur Briefübersicht

 

   

AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

D. 21. Sept. [1806]        

Ich will dich o Zenoides in deiner schönen schreibseligen Laune, die mir so viel Vergnügen macht, nicht erkalten lassen, und deswegen auch dem Pfarrer Bernhold von K[lein] K[ems] der in einer Viertelstunde im Schlosse predigen wird, nicht in die Kirche gehn, sondern das klügere thun, was ich wirklich thue. — Der Jüngste Tag von Lowerz war zwar auch hier schon bekannt, als ich deine Notizen darüber erhielt. Doch bemerkt man noch niemand, der im Sack und in der Asche Buße thät, und der Nachschub der Notizen über die Jammerscene war mir neu. Ich danke dir für die freundliche Mittheilung. Weil ich besorgte, die Blätter, die du zum Ganzen wieder zurückverlangen wirst, von Walz nimmer zu erhalten, so gedachte ich ihm den Innhalt derselben durch die Zeitung bekannt zu machen und gab sie dem Maklott. Denn dein guter Oheim Walz ist wie du weißt ein alles verschlingender Proteus, der nur an sich selber muß angebunden seyn, um nicht sich selber zu verlieren. — An den Promotionen werde ich dir nichts Neues mehr geben können, da ich schon einen Posttag verpaßt habe. Wie sehr das Cons. die Achtung und das Zutrauen des Landes durch die Anstellung des entschiedensten aller Narren gewonnen habe, hoc ipsi videant. Thun das die Väter der Kirche? Können sie sich so widersprechen, nachdem sie den nemlichen noch nicht so sehr Verwirrten für unfähig erklärt hatten, Vicarius zu seyn? War die Demüthigung unseres Standes ihm noch von den Häuptern desselben aufbewahrt? — Doch ich bin wenigstens einigermaßen und in mehr als einer Rücksicht getröstet, daß er ins Unterland kommt. Denn mit einem solchen Herzen gehöre ich dem Oberland noch an, daß mir ieder Unschik der iene Gegend und iene Menschen betrift zwiefach weh thut. Von unsern 2 Nachfolgern in Lörrach hat der eine, Peterson, viel proteischen Geist, der andere, Conrad, glaubt wenigstens Proteischen Geist zu haben; sträubt sich aber noch gegen seine Vokation. Von dem Tüllinger Eisenlohr will man in Mainz und Cölln etwas gesehen haben. Er soll mit einer Basler Familie sich nach Holland eingeschifft haben. Doch hat die Sage keine Bürgschaft. Wenn er, wie einige wollen, nach Palästina [gehen sollte], um gleich dazuseyn, wenn das Reich Gottes, das nahe ist, anbricht, so ist er ein Narr, daß er mir nichts davon gesagt hat. Vielleicht finde ich ihn noch an der Grotte des Elias auf Carmel, oder zu Thekea. Denn es ist mir, weiß Gott auch bald verleidet. —

In wenig Wochen, wie ich höre, wird der alsatische Allmanach erscheinen, und dir eines deiner schönsten Lieder wiedergeben. Diesen Sommer war Tieck auf der Rückreise von Rom bey uns, dem Anschein nach ein noch gar zu iunges Männlein, aber viel Ernst und Geist verrathend, von festem und treffendem Urtheil, aber nichts weniger als anmaßend. Man kann mehr Freude an ihm haben, als an manchem seiner Produkte. Ihm folgte nach einigen Wochen der, mit welchem man ihn in der Geschwindigkeit so oft verwechselt, Tiedge, ein gar interessanter Mann, von gesetzten Jahren, und wie es scheint von gutem Korn, bey dem man sich schon in der ersten Minute ungenirt und froh wie beym Wiedersehn eines lieben alten Bekannten fühlen kann. Endlich weil ich diesen Trumm ergriffen habe, haben wir ia auch den Vater des goldenen Kalbes hier, den iüngeren Grav Benzel. Er sollte Finanzminister oder gar Vicepräsident werden. Aber bald haben wir im Fach der Finanzen nichts mehr zu ministem. Die Noth und Verlegenheit ist groß. Nun kommt noch der Krieg dazu. Das Bundeskontingent soll mobil gemacht werden. Ich weiß nicht was wir zu erwarten haben. — Der Erb-G. Herz. soll mit zu Felde ziehn, und seine Gemalin nach Paris gehn! Also nicht nach Mannheim. Man will zweifeln ob die Zerlegung des fürstlichen Hauses in mehrere Hofhaltungen überhaupt mehr möglich sey wegen des Aufwandes.

— Auch dismal werde ich meinen liebsten Wunsch euch in den Ferien zu sehen, mein Leben wieder mit ein par schönen Stunden zu würzen, entsagen müßen. Vielleicht wird die nahe Zukunft dir selber sagen warum. — Gott sey mit euch, und gönne euch der süßen Lebensfreuden viel. Deinen Lieben meinen Gruß und Kuß. Meinem Pathen zwey. Halte dich ferner wohl Zenoides, das heißt unter anderm schreibe mir bald wieder, nicht wie zur Zeit der schrecklichen Dintennoth nach 5. Monaten.

               


Das lebendige vielblättrige Lexikon palatinum, Inspektor Wund war gestern auf der Durchreise hier und rühmt viel von Rötteln, — wird deinen Wein sich gut haben schmecken lassen. Bemühe dich mit keinen neuen Nachsendungen des Schweizerbotten.

d. 27. Sept.

 

 

  zurück zur Briefübersicht

 

nach oben