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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

Mein lieber Zenoides!                                                   [15.—20. März 1804]

Pfarrer Eccard schreibt mir in einem wort- und rekapitulations seligen Brief unter anderem auch, daß er bey dir gewesen sey, und daß meiner zwischen euch gedacht worden sey. Aber statt ihm darauf zu antworten schreibe ich dir, und bin dermalen mit einer großen und wohlthätigen und physikalischen Operation beschäftigt, nemlich mit dem Nebel, der mir vor dem Fenster steht, die innere Luft im Zimmer durch Tabackrauchen ins Gleichgewicht zu setzen. Vielleicht verhüte ich dadurch Schwankungen der Athmosphäre, deren Folgen man nicht berechnen könnte, und ohnehin soll sich kein Proteuser mit einem andern in Rapport setzen, er hülle sich denn in heiligen Weihrauch ein, und lustrire sein Etwas.

Der große Kant wäre denn nun auch ein Mitglied unserer großen unsichtbaren Loge, und

schmaucht mit Solon, Wilhelm Penn
Confuz und Zoroaster
und Montesquieu beym himmlischen
Bierkrug sein Pfeifchen Knaster.

Wie mögen nun er und unser Herder, der Critiker und der Metakritiker sich dort ansehen? Herder war auch dismal der Kluge, daß er die Zeit gewann, und voraus gieng. Doch sie werden nun ohne Zweifel in lieblicher iugendlicher Geniengestalt an einem Subsellium von duftendem Cedernholz fridlich neben einander sitzen, und das große
A. B. C. mit einander lernen, nachdem sie hier, zusammen ihre 140 Jahre das kleine getrieben haben, und werden sich das neue Milchspeislein vorbeten und zergliedern lassen.

Ich schicke dir durch Herrn Stud. Eisenlohr von Bromb. endlich den Bar Enasch für die Theol. Gesellschaft. Du wirst ihm wohl ansehen, daß er sich eigentl. in die Ewaldische Samml[ung] nicht qualificirt. Desto lieber geb ich ihn aber drein, weil ihn Hr. G. R. Br[auer] verlangt. Für dich leg ich noch ein par welsche Nüße zum Nachtisch bey. Das Charadenwesen ist hier bis zur Sucht geworden. Drechslers Caffehaus sah eine Zeitlang aus, wie eine Börse. Wo man hinsah, zog einer ein Papirlein aus der Tasche, oder hatte eins in den Händen, und studirte dran, oder tauschte eins mit dem Nachbarn aus. Aber der menschliche Geist strebt immer höher und vorwärts, und so kamen denn die Logogriphen an Tagesordnung. Aber darauf ließ sich doch außer
G. Rath Herzog, O. L. Medikus, Hofr. Volz, einem alten emigrirten Pfarrer und meiner Wenigkeit niemand groß sein. Denn auch diese wurden bald in die höchste Schwirigkeit dadurch gesteigert, daß nicht mehr die einzelnen Worte in welchen die Buchstaben des zu rathenden Wortes enthalten sind, genannt, sondern selber nur bald dunkler bald kenntlicher angedeutet wurden, so daß man sich durch eine Kette von eben so viel Räthseln durcharbeiten muß, um nur die Elemente zu finden, aus denen das gedachte und zu rathende Hauptwort construirt werden muß. Da gab es denn, während man dem Spiel zusah und zuhörte, mancherley stille Beobachtungen zu machen. Man konnte den Scharfsinn und Witz, man konnte, da bisweilen literarische Anspielungen einflößen, die Belesenheit und Kenntniße, man konnte sogar ein par moralische Eigenschaften, und den eigenen Gang der Ideenassociation bei dem und ienem belauschen, und das war für mich bey dem ganzen Spiel das interessanteste. In dem Logogr. Litera D den ich dir beylege, ist das Schattenspiel an der Wand natürlich nur Einkleidung und Vehickel, die verschiedenen Gestalten, deren Namen zu rathen sind, aufzuführen. Die Stelle „die Zauberlaterne verglimmt im Brand" etc. heißt also auch in Prosa nur so viel: das Wort in welchem die vorhergehenden alle enthalten sind drückt den Namen eines Gegenstandes aus, den man zu verbrennen pflegt. Dis ist nun freilich für hier ein kenntlicher Charakter. Aber ich weiß nicht, ob der Name bey euch auch ebenso bekannt ist als die Sache. Ich will dir also noch einen andern Charakter angeben. Es ist zugleich der Name eines bekannten Landes in Amerika. Besage des Schlußes hat es 7. Buchstaben, wovon 2. auch zweymal vorkommen. Doch genug von diesen Spielereien. Ich habe durch Buchh. Müllers Communikation die Beschreibung der Pfalzgrafschaft, die zur bad. Topogr. gehört, im Druck 6. Bogen stark vor mir liegen. Sie ist nach meiner Einsicht sehr gut ausgefallen, hat aber auch das lebendige und wandelnde Archiv und Lagerbuch der Pfalz Inspektor Wund in Wiblingen zum Verfaßer. An der Beschreibung der Marggravschaft wird wacker gedruckt. Die Charte die ich einsweilen in der Handzeichn. gesehen habe, ist niedlich, deutlich, das ganze umfassend, aber eben deswegen in einem etwas kleinen Maasstabe ausgearbeitet. Auch von der Flora Badensis ist der erste Band, der die fünf ersten Classen enthält, endlich einmal zum Druck fertig, und wird in der Herbstmesse herauskommen. Schade daß das Werk bey so vielen gemeinnüzigen Notizen lateinisch ist, und für eine große Verbreitung im Lande um deßwillen, und wegen seiner Ausdehnung sich nicht genug eignen wird. Man muß sichs nur gleich theilweise anschaffen, damit einem das Geld nicht wehe thut, und dein Eifer für die Verbreitung nützlicher Kenntniße und dein Patriotismus wird dich zu seiner Zeit schon ermahnen, die Anschaffung deßelben in deiner Gegend zu empfehlen. Das Wiesenthal, Rötteln, Weil, Krenzach, und der Buserörireiche von Steisibrusern bewachte, Seusteltragende Altar des Niegewesenen und nimmerwerdenden paradiren darinn oft, wie natürlich und billig. — Daß Holzmann die Redaktion des b[adischen] M[agazins] abgegeben hat, wirst du gelesen haben; daß es eine verblümte Todesanzeige war, wirst du merken. Die Aufkündigung war allgemein, und wie verabredet. B[ommer] streicht sich nun den Bart in Bruchsal und hat, was er immer liebte, Nichts zu thun. Des nemlichen seligen Zustandes genießt auch, wie wohl unter andern Umständen der Pfarrer S[ievert]. Noch sizt er bey dem Profosen, nicht zur Strafe, denn das wäre grausam, sondern zur Verwahrung, bis der erste Senat annehmliche Vorschläge zu einem Versuch ihn zu kuriren gemacht hat, und das ist unverantwortlich. S. fragt mich oft, wer der Narr sey, er oder die ihn aus Fürsorge für seine Genesung nun in den 4ten Monat hülflos im Kerker sizen laßen. Unterdessen stellt er die scharfsinnigsten Betrachtungen meist über Naturphilosophie, Oekonomie des menschlichen Körpers, Volkserziehung an, und trägt sie, wenn du ihn besuchst, mit einer Consequenz, mit einer Lebhaftigkeit und Blüthe des Stils, in einem Fluß der Rede vor, als ob ers aus einem Buch läse. Noch ist kein Buch in seine Clause gekommen. Ich bot ihm schon oft etwas zum Lesen für die Langeweile an. Aber er sagt er habe keine Langeweile, und wer einen eigenen Brunnen auf dem Hof habe, brauche nicht beym Nachbarn zu schöpfen. Selbst seine Narrheit hat er in das bündigste System gebracht, das gar nirgends kann angegriffen werden, sobald man ihm ein par historische Data, die er sich einbildet zugibt. Er läßt sich gerne sagen, daß er fixe Ideen habe, und unterscheidet zwischen wahren und falschen. Der Unterschied zwischen ihm und uns, sagt er bestehe darinn daß bey ihm die wahren Ideen fix seyen, bey uns aber seyen die falschen fix und die wahren schwankend, z. B. daß wir ihn für einen Verrückten halten, daß wir die Jugend mit Lateinlernen plagen, statt ihren Verstand aufzuklären, und sie die viel bessern musterhaften Schriften der Deutschen lesen zu lassen, daß wir die iüdische und halbiüdische Religion der Bibel, statt der Moral und Vernunftreligion predigen, daß wir die natürliche Bedeckung des Hauptes, die Haare abscheeren, und eine künstliche aus Hasenhaar verfertigen lassen und aufsetzen, daß wir den natürlichen Forstmeister den Wolf ausrotten, und mit schweren Kosten Jäger halten die uns alsdann vor dem Wild schützen müßen, etc. etc. Das sind lauter fixe aber falsche Ideen. — Der gestriegelte Catechismus ist, wie mir Brauer sagt eingelaufen. Er droht mir schon fernher mit der lezten Bearbeitung, Prüfung und Benutzung der gemachten Ausstellungen, Zusätze etc. etc. Welch ein herculeum opus! Ich werde mirs verbeten, und weiß nicht einmal obs Klug wäre, dem Verfasser eines Entwurfs, die Verbesserung desselben durch fremde Ideen nach eigenem Ermessen anzuvertrauen.

Das waren nun einmal Miscellen von Carlsruhe. Sey froh, daß das Examen morgen an- und Eisenlohr nach demselben abgeht, und laß mich auch bald wieder etwas von euch vernehmen, Miscellen aus euern lieblichen 4 Wänden. O daß ich iezt mit euch und aus euerem Fenster ins Frühiahr hinausschauen, und mit dir den Zug der Pelargen beobachten und von dem und ienem plaudern, und dann den Kopf wieder hineinziehen, und mit dem Mägdlein lieb und klein, kosen könnte. Der Himmel gönne euch viel Freude, an ihm, und um und an.

 Dein Freund     Parmenideus         


Die Logogryphen bitte ich mir einst durch H. Eisenlohr oder unfrancirt mit der Post wieder aus. Müller, der Narr, will sie in das Taschenbuch haben, ins Taschenbuch für Weiber und Mädchen.

 

 

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