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Mein
lieber Zenoides!
[15.—20. März 1804]
Pfarrer Eccard schreibt mir in einem wort- und rekapitulations seligen
Brief unter anderem auch, daß er bey dir gewesen sey, und daß meiner
zwischen euch gedacht worden sey. Aber statt ihm darauf zu antworten
schreibe ich dir, und bin dermalen mit einer großen und wohlthätigen und
physikalischen Operation beschäftigt, nemlich mit dem Nebel, der mir vor
dem Fenster steht, die innere Luft im Zimmer durch Tabackrauchen ins
Gleichgewicht zu setzen. Vielleicht verhüte ich dadurch Schwankungen der
Athmosphäre, deren Folgen man nicht berechnen könnte, und ohnehin soll
sich kein Proteuser mit einem andern in Rapport setzen, er hülle sich denn
in heiligen Weihrauch ein, und lustrire sein Etwas.
Der große Kant wäre denn nun auch ein Mitglied unserer großen
unsichtbaren Loge, und
schmaucht mit Solon, Wilhelm Penn
Confuz und Zoroaster
und Montesquieu beym himmlischen
Bierkrug sein Pfeifchen Knaster.
Wie mögen nun er und unser Herder, der Critiker und der Metakritiker
sich dort ansehen? Herder war auch dismal der Kluge, daß er die Zeit
gewann, und voraus gieng. Doch sie werden nun ohne Zweifel in lieblicher
iugendlicher Geniengestalt an einem Subsellium von duftendem Cedernholz
fridlich neben einander sitzen, und das große
A. B. C. mit einander lernen, nachdem sie hier, zusammen ihre 140 Jahre
das kleine getrieben haben, und werden sich das neue Milchspeislein
vorbeten und zergliedern lassen.
Ich schicke dir durch Herrn Stud. Eisenlohr von Bromb. endlich den Bar
Enasch für die Theol. Gesellschaft. Du wirst ihm wohl ansehen, daß er sich
eigentl. in die Ewaldische Samml[ung] nicht qualificirt. Desto lieber geb
ich ihn aber drein, weil ihn Hr. G. R. Br[auer] verlangt. Für dich leg ich
noch ein par welsche Nüße zum Nachtisch bey. Das Charadenwesen ist hier
bis zur Sucht geworden. Drechslers Caffehaus sah eine Zeitlang aus, wie
eine Börse. Wo man hinsah, zog einer ein Papirlein aus der Tasche, oder
hatte eins in den Händen, und studirte dran, oder tauschte eins mit dem
Nachbarn aus. Aber der menschliche Geist strebt immer höher und vorwärts,
und so kamen denn die Logogriphen an Tagesordnung. Aber darauf ließ sich
doch außer
G. Rath Herzog, O. L. Medikus, Hofr. Volz, einem alten emigrirten Pfarrer
und meiner Wenigkeit niemand groß sein. Denn auch diese wurden bald in die
höchste Schwirigkeit dadurch gesteigert, daß nicht mehr die einzelnen
Worte in welchen die Buchstaben des zu rathenden Wortes enthalten sind,
genannt, sondern selber nur bald dunkler bald kenntlicher angedeutet
wurden, so daß man sich durch eine Kette von eben so viel Räthseln
durcharbeiten muß, um nur die Elemente zu finden, aus denen das gedachte
und zu rathende Hauptwort construirt werden muß. Da gab es denn, während
man dem Spiel zusah und zuhörte, mancherley stille Beobachtungen zu
machen. Man konnte den Scharfsinn und Witz, man konnte, da bisweilen
literarische Anspielungen einflößen, die Belesenheit und Kenntniße, man
konnte sogar ein par moralische Eigenschaften, und den eigenen Gang der
Ideenassociation bei dem und ienem belauschen, und das war für mich bey
dem ganzen Spiel das interessanteste. In dem Logogr. Litera D den ich dir
beylege, ist das Schattenspiel an der Wand natürlich nur Einkleidung und
Vehickel, die verschiedenen Gestalten, deren Namen zu rathen sind,
aufzuführen. Die Stelle „die Zauberlaterne verglimmt im Brand" etc. heißt
also auch in Prosa nur so viel: das Wort in welchem die vorhergehenden
alle enthalten sind drückt den Namen eines Gegenstandes aus, den man zu
verbrennen pflegt. Dis ist nun freilich für hier ein kenntlicher
Charakter. Aber ich weiß nicht, ob der Name bey euch auch ebenso bekannt
ist als die Sache. Ich will dir also noch einen andern Charakter angeben.
Es ist zugleich der Name eines bekannten Landes in Amerika. Besage des
Schlußes hat es 7. Buchstaben, wovon 2. auch zweymal vorkommen.
Doch genug von diesen Spielereien. Ich habe durch Buchh. Müllers
Communikation die Beschreibung der Pfalzgrafschaft, die zur bad. Topogr.
gehört, im Druck 6. Bogen stark vor mir liegen. Sie ist nach meiner
Einsicht sehr gut ausgefallen, hat aber auch das lebendige und wandelnde
Archiv und Lagerbuch der Pfalz Inspektor Wund in Wiblingen zum Verfaßer.
An der Beschreibung der Marggravschaft wird wacker gedruckt. Die Charte
die ich einsweilen in der Handzeichn. gesehen habe, ist niedlich,
deutlich, das ganze umfassend, aber eben deswegen in einem etwas kleinen
Maasstabe ausgearbeitet. Auch von der Flora Badensis ist der erste Band,
der die fünf ersten Classen enthält, endlich einmal zum Druck fertig, und
wird in der Herbstmesse herauskommen. Schade daß das Werk bey so vielen
gemeinnüzigen Notizen lateinisch ist, und für eine große Verbreitung im
Lande um deßwillen, und wegen seiner Ausdehnung sich nicht genug eignen
wird. Man muß sichs nur gleich theilweise anschaffen, damit einem das Geld
nicht wehe thut, und dein Eifer für die Verbreitung nützlicher Kenntniße
und dein Patriotismus wird dich zu seiner Zeit schon ermahnen, die
Anschaffung deßelben in deiner Gegend zu empfehlen. Das Wiesenthal,
Rötteln, Weil, Krenzach, und der Buserörireiche von Steisibrusern
bewachte, Seusteltragende Altar des Niegewesenen und nimmerwerdenden
paradiren darinn oft, wie natürlich und billig. — Daß Holzmann die
Redaktion des b[adischen] M[agazins] abgegeben hat, wirst du gelesen
haben; daß es eine verblümte Todesanzeige war, wirst du merken. Die
Aufkündigung war allgemein, und wie verabredet. B[ommer] streicht sich nun
den Bart in Bruchsal und hat, was er immer liebte, Nichts zu thun. Des
nemlichen seligen Zustandes genießt auch, wie wohl unter andern Umständen
der Pfarrer S[ievert]. Noch sizt er bey dem Profosen, nicht zur Strafe,
denn das wäre grausam, sondern zur Verwahrung, bis der erste Senat
annehmliche Vorschläge zu einem Versuch ihn zu kuriren gemacht hat, und
das ist unverantwortlich. S. fragt mich oft, wer der Narr sey, er oder die
ihn aus Fürsorge für seine Genesung nun in den 4ten Monat hülflos im
Kerker sizen laßen. Unterdessen stellt er die scharfsinnigsten
Betrachtungen meist über Naturphilosophie, Oekonomie des menschlichen
Körpers, Volkserziehung an, und trägt sie, wenn du ihn besuchst, mit einer
Consequenz, mit einer Lebhaftigkeit und Blüthe des Stils, in einem Fluß
der Rede vor, als ob ers aus einem Buch läse. Noch ist kein Buch in seine
Clause gekommen. Ich bot ihm schon oft etwas zum Lesen für die Langeweile
an. Aber er sagt er habe keine Langeweile, und wer einen eigenen Brunnen
auf dem Hof habe, brauche nicht beym Nachbarn zu schöpfen. Selbst seine
Narrheit hat er in das bündigste System gebracht, das gar nirgends kann
angegriffen werden, sobald man ihm ein par historische Data, die er sich
einbildet zugibt. Er läßt sich gerne sagen, daß er fixe Ideen habe, und
unterscheidet zwischen wahren und falschen. Der Unterschied zwischen ihm
und uns, sagt er bestehe darinn daß bey ihm die wahren Ideen fix seyen,
bey uns aber seyen die falschen fix und die wahren schwankend, z. B. daß
wir ihn für einen Verrückten halten, daß wir die Jugend mit Lateinlernen
plagen, statt ihren Verstand aufzuklären, und sie die viel bessern
musterhaften Schriften der Deutschen lesen zu lassen, daß wir die iüdische
und halbiüdische Religion der Bibel, statt der Moral und Vernunftreligion
predigen, daß wir die natürliche Bedeckung des Hauptes, die Haare
abscheeren, und eine künstliche aus Hasenhaar verfertigen lassen und
aufsetzen, daß wir den natürlichen Forstmeister den Wolf ausrotten, und
mit schweren Kosten Jäger halten die uns alsdann vor dem Wild schützen
müßen, etc. etc. Das sind lauter fixe aber falsche Ideen. — Der
gestriegelte Catechismus ist, wie mir Brauer sagt eingelaufen. Er droht
mir schon fernher mit der lezten Bearbeitung, Prüfung und Benutzung der
gemachten Ausstellungen, Zusätze etc. etc. Welch ein herculeum opus! Ich
werde mirs verbeten, und weiß nicht einmal obs Klug wäre, dem Verfasser
eines Entwurfs, die Verbesserung desselben durch fremde Ideen nach eigenem
Ermessen anzuvertrauen.
Das waren nun einmal Miscellen von Carlsruhe. Sey froh, daß das Examen
morgen an- und Eisenlohr nach demselben abgeht, und laß mich auch bald
wieder etwas von euch vernehmen, Miscellen aus euern lieblichen 4 Wänden.
O daß ich iezt mit euch und aus euerem Fenster ins Frühiahr hinausschauen,
und mit dir den Zug der Pelargen beobachten und von dem und ienem
plaudern, und dann den Kopf wieder hineinziehen, und mit dem Mägdlein lieb
und klein, kosen könnte. Der Himmel gönne euch viel Freude, an ihm, und um
und an.
Dein Freund Parmenideus
Die Logogryphen bitte ich mir einst durch H. Eisenlohr oder unfrancirt mit
der Post wieder aus. Müller, der Narr, will sie in das Taschenbuch haben,
ins Taschenbuch für Weiber und Mädchen.
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