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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG |
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[Anfang — Mitte März 1802] Gott tröste dich, mein lieber Zenoides, und das zerrissene Herz deiner Daube, und gebe euch bald die Passung und Ruhe wieder, mit der ihr wenigstens vor euerer neuen Prüfung die alten ertragen lerntet, und eine schönere Zukunft! Ich hatte mich sehr nach deinem Briefe gesehnt und darauf gefreut, als mir Eisenlohr v. Lörr[ach] sagte, daß [er] euch besucht habe, was ich euch so lange und sehnlich wünschte. Aber es scheint ich sollte pro meo modulo das Gefühl des Wechsels von der großen Freude zum großen Leid auch empfangen, und ich habe so viel davon als ein treues freundschaftliches Herz aufnehmen kann. Und mehr will ich dir sagen. Ich habe nicht nöthig, dich zu trösten, wenn dein Gemüth für die Trostgründe die du selber kennst, wieder empfänglich ist, und ich vermags und wills nicht, wenn du noch für den Trost verstimmt, oder er Verstimmung für dich ist. Gerne glaub ich, daß dir die Leichen Pr[edigt] des Prinzen ein schweres Geschäft war, doch glaub ichs mehr deiner Versicherung als der Arbeit selbst, die ich dankbar wieder anlege, und so wohl mir die Auseinanderstellung des Stoffs gefiel, so werth mir manche einzelne Stelle ward, so ahnde ich doch das Beste hinter den etc. etc. Man sollte in solchen Gemüthsstimmungen, wenn sich anders das Herz wieder zur Mittheilsamkeit der Gefühle geöfnet hat, gar nicht schreiben, sondern aus dem bewegten Innern reden dürfen. Aber es gehört nun schon zu den Artikeln unserer Zunft, was warm und innig von Herz zu Herzen gehen sollte, zuerst auf dem Papir abzukühlen. Im ganzen mags auch freilich besser seyn. Ich habe wirkl. eine Predigt hier, die der ehrenvoll bekannte catholische Schriftsteller und Homiletiker, Pf. Brunner auf Einladung der Aebtissin von Frauenalb, am Trauertag daselbst gehalten hat, aber ich kenne nur eine schlechtere über diesen Gegenstand, die des ebenfalls sehr geschikten Profess. Loreye in Baden. Es ist ganz eigen, daß die aufgeklärtesten Männer dieser Parthie noch immer etwas behalten, was man den Näazi nennt, und was sich ihrer, wenn nirgends sonst, auf der Canzel bemächtigt. Doch wir haben ia auch Männer (und ich studire oft an diesem Räthsel) die überal geist- und gedankenreich, witzig, wohlgewandt im Umgang und im Schriftsatz, und nur auf der Canzel steif, trocken und unfruchtbar sind. Ich danke dir für deine vorläufige Verwendung bei Flick. Haas den iüngeren hat mir Günttert vorgeschlagen, und sich angebotten mit ihm zu reden. Ich will ihm also nicht ausweichen, behalte mir aber deine fernere Vermittlung mit Flick vor, denn wenn Haas, wie ich vermuthe, überal nur drukt und nicht verlegt, so erwarte ich, daß ers nur unter unbequemen Restriktionen annehmen würde. Auf alle Fälle schick ich dir alsdann eine Ankünd. und Probe, und meinst du, wir wollen eine Subscr[iption] eröffnen? und magst du gern eintragen helfen, ein fleißiges Immlein? Das Jour[nal] von und für Baden scheint den ersten Termin einhalten zu wollen. Wenigstens sind mir schon mehrere Stücke zur Censur gebracht, I.) Der Plan von Holzen 2.) Ueber die Spanische Schafzucht von Volz 3.) Ueber die (badischen?) Mayenkäfer und Maulwürfe von Garten Inspector Schweikhard. Sehr interessant, aber (unter uns gesagt) schon 1796 im Beckerischen Taschenbuch gedruckt. 4.) Ueber den oekonomischen Zustand von Baden v. Meerwein (hat wegen einem sonderbaren Resultat noch Anstände in der Censur). Du siehst, wir bekommen das erste Mal mehr Oeconomika als Oekumenika, und es scheint mir nicht, daß die Herausg. schon aus einem Stoff für 2 Jahre die Auswahl hatten. Auch ist die Existenz des Wesens noch nicht gesichert, da Makl[ott] noch nicht für seine Kosten gedeckt ist. Es cirkulirt hier unter Freunden ein geschriebenes Zeitungsblatt, das angeblich aus zerschnittenen und unter einander geworfenen Stücken von gedruckten Zeitungs und Wochenblättern wieder zusammengesezt ist. Ich lege dir zur Aufheiterung ein paar Müsterlein an. Ma pigtiate guardia, sagte Pater Fulgentius als er auf der Canzel von Venedig ein griechisch. Testament aus der Tasche zog questo libro e prohibito! Das heißt auf Deutsch, der Marggrav hat großen Mißfallen an dem Spaß. Von den Trauerschriften ist wenig mehr zu haben. Das beste schreib ich dir, wie du verlangst. Das ganz vorzüglichste von den Gedichten hat Professor Schreiber in Baden gelifert. Ich laß es durch einen meiner Schüler abschreiben und schicke dirs nach. Denn es ist zwar gedrukt, aber nicht in dem Buchhandel. Nach meinem Gefühl kommt dann zunächst die Muse am Belchen, dann die an der Nagold und Enz (Maisch) und endl. die am Landgraben, nach Standesgebühr und Ehre. — Erbaue dich an Brunners Rede besser als ich, und an der Volzischen so wie ich. Der Cacalia Sonchifol. wissen wir auch keinen deutschen Namen. Man muß ihr halt selber einen machen, Gakeli, Sonchigakeli! oder per Metathesin: Liacaca! Und nun gehabe dich wohl, du Lieber! Ich möchte dirs geschwind mit dem Kuß und Händedruck der Gegenwart sagen können, wie sehr unveränderlich ich bin Dein redl. Fr. H.
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Homiletiker = Predigtlehrer |