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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

 

Theuerster Freund,                                                          [5. Dezember 1802]

Das reichliche Verzeichniß deiner Angeworbenen freut mich, so oft ich's ansehe. Nicht nur, weils so reichlich eintragt, und iedes Fischlein, das du mir in's Netz bringest, seinen Stater im Mund hat, sondern noch mehr, weil mir dieses Verzeichniß ein schönes Dokument deiner thätigen Freundschaft und Theilnehmung ist. Empfange dafür meinen aufrichtigsten Dank, und was du schon lange hast, meine Bereitwilligkeit zu jedem Gefallen und Dienst, den ich dir erweisen kann.

Ueber ein Kleines, sagt das Wälderbüeblein, so werdet ihr mich sehen! Aber der Kupferstecher, das Faulthier sagt: Meine Zeit ist noch nicht da! Der lezte Bogen wird diese Woche gesezt, die Notentafeln sind fertig, aber dem Kupferstecher gefällt seine hellpolirte Platte so wohl, daß ihm jeder Stich wehe thut, den er hineingraviren soll. Auf alle Fälle möchte es aber gut sein, wenn du mein lieber Zenoides nun, eh die Feiertage wie ein gewappneter Mann über dich herfallen, an die Recension dächtest und giengest. Du kennst der Stücke genug, um ihnen vorläufig den Geist der durch alle weht, abzulauschen und zu würdigen und den allgemeinen Theil der R. zu entwerfen, und kannst alsdann, wenn ich dir das ganze schicke, das Spezielle über einzelne Lieder die du noch nicht kennst, und über das Idiotikönlein leicht hinzusetzen. Denn es ist mir darum zu thun, daß das Bürschlein der Welt bekannt werde, und Zutritt finde, eh' es ein Nachdrucker in seine Lumpen kleidet. Es wird, sorge ich, doch immer noch frühe genug wahr werden, was es selber sagt:

„und 's Chäferli het hinteno
doch au si Tröpfli übercho."

Ich habe 500 Ex. über die Bestellung drucken lassen und wenn sie mir ligen bleiben, habe ich vom eigenen Verlag Schaden. Aber machs gnädig, und rechne dem armen Narren die Laubflecken, die er ia charakteristisch haben muß, und die Rufen, die wohl weg sein könnten, nicht zu hoch an, und deine Freundschaft verweile keinen Augenblick bei der Person des Vaters. Laß sie wenn sie mit der Warheit, und mit der Gewissenhaftigkeit des Rec. vereinbarlich ist einzig dem kleinen Hans Närlein zu gut kommen.

Ich habe viel zu schreiben, und rothe Augen vom Corrigiren, Revidiren und neuen Wein, und darum Assa! lieber Zenoides! deiner lieben Gattinn meinen freundlichen Gruß.

D. 2ten Advent. (Dittenberger verwechselt heute den Belchen mit der Hofkanzel.)

 J. P. Hebel        

 

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Verzeichnis der Angeworbenen: Subskribenten der
Alemannischen Gedichte.

Stater: Münzbezeichnung für Silber- und Goldstücke.
 Hebel spielt auf Matthäus
77, 27 an.
und's Chäferli: aus dem Gedicht „Der Sommerabend".
Laubflecken: Sommersprossen.
Rufe: Schorf, Grind.
Assa: Genug (von französisch 'assez'), Abschiedswort.

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