zurück zur Briefübersicht

 

   

AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

d. 14ten April 1801          

Es ist hart und schmerzlich, du lieber Schwergeprüfter! was Euch der Himmel zu erfahren und zu tragen gab. Neben dem Grab Euerer Freude nun auch noch das Grab seines Trostes in einem verödeten Paradies. Nimm das Gefühl der innigen, wehmüthigen Theilnehmung Eures Freundes — möchte ich sagen können zur Erleichterung des Euerigen, und möge die Vorsehung, was die Thräne der Freundschaft nicht kann, Eure Wunde heilen. Mich tröstet dein Muth, und ich bewundere und ehre diese Standhafligkeit deines Charakters, die ich in einer solchen Prüfung, in einem solchen Grade nicht erwartet hätte. Aber dein Weib, das gute, weiche Mutterherz! Möge es an der Stütze deines Beispiels sich allmälig wieder aufrichten und auch seine Ruhe wieder finden.

Bommer, der am Samstag eine Stunde bey mir war, soll mir noch viel Liebes und Trauriges von Euch erzählen. Einsweilen haben wir nur das oberste weggepflückt. Er athmet wie aus dem Gefängniß entronnen, in seiner vaterländischen Luft; und auf mir ligt sie so schwühl, und mein heiterer Traum ist droben. Wie wunderlich ist doch der Mensch? Wie einzig ieder in seiner Ansicht der nemlichen. Dinge, und eingeschlossen in seinen eigenen Kreis der Gefühle, und in seine eigene Welt?

Ich danke dir für die Mittheilung deines catechetischen Leitfadens, in dem ich eine gesunde und reife Frucht deiner praktischen Beurtheilungskraft, und deines feinen Sinns für das wesentliche, wichtige, erweckende und wohlthätige in dem, was man Religion nennt, anerkenne. Die Form hast du ohne Zweifel mehr zur Bequemlichkeit für den Lehrer, der sich dessen bedienen will, als für den Schüler gewählt, vielleicht auch um dem Neuen die Gefälligkeit der alten Ansicht ä la Heilsordnung zu geben. Frag und Antwort, und Verwischung des logischen Zusammenhangs gefallen mir sonst nicht übel.

Anche io sono pittore! Ich bin wie der Blinde zur Ohrfeige, durch ein Anbieten an Brauer, das ganz etwas anders sagen sollte, zum Auftrag gekommen, den Herderschen Catechismus zum Gebrauch des Landes zu revidiren und überarbeiten. Doch muß ich gestehen, daß ich oft nicht begreifen kann, was unser großer Herder dachte, wenn er anders nicht im Schlaf geschrieben hat, und daß ers nach meinem Urtheil iedem nur halb geübten leicht genug gemacht hat, wenigstens theilweise, ihn noch zu verbessern. Ich, wäre fertig, und es war mir ein freudiges Geschäft. Aber iezt revidirt Brauer mich, misbilligt, ändert, schiebt Fragen ein, die mit seiner eigenen, ganz eigenen Religionsphilosophie zusammenhängen, doch alles nur gutachtlich, und gibt mirs zur neuen Revision und lezten Bearbeitung zurück. Ich war in der Versuchung mich schön dafür zu bedanken und zu sagen: nehmt ihn hin und kreuziget ihn nach euerm Gesetz— nemlich meinen Catechismus. Aber eben weil ich die Creutzigung fürchtete, und was er drinn haben will, doch hinein käme, hab ich aus Liebe zur Sache, auch das übernommen, ums wenigstens vielleicht noch glimpflicher machen zu können, und ihn mit der Geißelung durchzubringen. Aus diesem Grund wünsche ich auch, daß deine Freundschaft diese Notiz in Petto behalten möge. Ich möchte überall nicht für den Revisor einer Herderschen Arbeit, und dann nicht für den Urheber dieser Revision bekannt werden. Es gibt, besorg ich eine Flikerei. Über das alles erwarte ich vom Consist[orium], das vom Ganzen nicht einmal zu wissen scheint, des Teufels Dank. Denn ich habe von ihm wenigstens nicht einmal Auftrag, sondern Br[auer] hat mich privatim beym mißverstandenen Wort genommen und scheint das M[anu]sk.[ript] eh es ins Cons. kommt dem Marggr[aven] zur Approbation vorlegen zu wollen.

Der Dengelegeist gerathet ins Stocken. Ich mag aus Liebe zur Gegend, die mir durch das Andenken an unsere Wallfahrt und durch die Quelle der Wiese fast heilig ist, keinen bösen oder schauerlichen Geist aus ihm machen und meine plumpe Phantasie bietet mir trotz aller Folter keine liebliche Idee zur Einkleidung. Um nicht ganz umsonst genarrt zu haben, theile ich dir die Einleitung, so weit ich kam, hier mit. Du wirst aus ihrer Länge erkennen, wie vergeblich ich auf Befruchtung des Genius zur Geburt des Hauptstoffs wartete. Aber vielleicht leiht mir deine reichere Phantasie noch einen glücklichen Einfall.

Wenn es dir in den Sinn kommen sollte die rheinischen Musen, die nun in Nürenberg an der Pegnitz!! unter der Redaction eines genialischen Wildfangs v. Harrer fortgesezt werden sollen, für die O. D. Lit. Zeit, zu recensiren, so bitte ich dich mit den Kindlein, die etwa mit P. d. s. (Parmenides) bezeichnet seyn möchten, ein wenig säuberlich zu verfahren.

Deine Tabelle hab ich, ob du mirs gleich nicht wehrtest, doch Br[auer] nicht mittheilen wollen, weil ich besorgte, es möchte dir nicht angenehm seyn, wenn das Cons. überzwerch Notiz davon bekäme.

Meinen hertzlichen Gruß deiner lieben Gattinn! Gottes Trost und Segen über Euch. Ich bin mit unwandelbarer Liebe

Dein treuer Fr.     Hebel              

 

Hent er gmeint, der Dengele Geist, ihr Dotnauer Chnabe,
seig e böse Geist? I chan ich bessere B'richt ge!
Lueget i bi von Basel, i will ichs redli bikenne,
mit em Ritter verwandt, von siebe Suppen e Dünkli,
aber e Suntigchind. Wo näume luftigi Geister
uffem Chrützweg stöhn, in alte Schlossere huse
und verborge Geld mit füürigen Auge hüte,
oder vergosse Blut mit bittere Thräne wäsche,
und mit Grund verschare, mit rothe Nagle verchrazze
oder um Galgen und Rad mits Tüfels Grosmuter tanze
siehts mi Aug im Sternelicht; i hör wie sie winsle.

Und wo heiligi Engel mit schöne blauen Auge
in der Sternenacht in stille Dörfere wandle
an de Fenstere lose, und (höre sie liebligi Rede)
gegen enander lächle, und an de Huusthüre sitzen
und die frumme Lüt im Schlof vor Unglück bihüte,
oder wenn si selbander und dritt uf Chilchhöfe wandle
und enander sage: „do schloft e treui Mutter,
„do en arme Ma, doch het er niemes bi tröge
„schlofet sanft und wohl, mer wenn ich schon wieder wecke!"
siehts mi Aug im Sternelicht, i hör, was sie sage.
Menge chenn i mit Name, und wenn mer enander bigegne,
biete mer is d' Zit, und wechsle Reden und Antwort.
„Grüß di Gott! — Hesch guti Wacht? — Gott Dank der — so zimli!"
Wärs nit wohr, i seiti's nit. Was hani vom lüege?
Und do hent ders drukt. — E mol, se rüeft mer der Grichtsheer:
„Veter, seig er so guet, und gang er e wenig go Dotnau,
„Lueg er ordli no, eb silberhaltige Stueffe
„brechen im neue Gang, eb d' Berglüt ordeli schaffe
„und eb alles isch, wies sy soll. Adie im Heere,
„komm er zitli z'ruck, und bring er guti Nuwelle!"
Uf und fürt, i gang, und wie mi der Grichtsheer vermant het
Hani gluegt und gfrogt. Drob lauf i uffeme Fußweg
Furt in Berg und Wald, und mein, i chönn nit verirre.
Nüechter bini gsi, i ha en einzig Schöppli
z' Uzefeld bim Müller trunke, froget en selber,
isch er e brave Ma, so würd er d' Woret bikenne.
Aber wer der Weg verliert, und ufen und abe
Dotnau sucht, bin ich, und wers nit findt, bin i wieder,
Mein, i seig am Dorf, und chresme hinten am Feldberg.
Wit und breit uf First und Halde höri kei Holzax,
Hör kei Hüst und Hott! und hör kei Hirtebueb singe.
Nüt as Wald und Wald, 's würd alliwil spöter und dunkler,
alliwil chüeler und füechter. Scho sitze d' Vögel und schwige.
's streckt scho do und dort e Stern am düstere Himmel
's Chöpfli usen und luegt, eb d' Sunn echt aben ins Bett seig
eb er echt dörf cho, und rüeft der Nachtühl im Tschuhu
und i ha ke Hofnig meh, druf leg i mi nieder.
„O du liebi Zit, so denk i, wär i doch z' Basel!
„oder numme z' Uzefeld, bym g'spröchige Müller
„in der bhebe Stuben und aneme feiste Sehmuris,
„oder wärs zum wenigste Mitternacht! 's würd doch e Gspenstli
„näume do hinte sy, und z'nacht um zwölfe verwache!"
Währed aß is sag, und mit em vordere Finger
's Zitli frog, wo 's Zeigerli stand ('s isch z' finster fürs Aug gsi)
und wo 's Zitli seit, 's gang ab den Oelfe und woni
's Pfifli use leng, und denk, „iez trinki no Tubak
aß i nit vertschlof" — Bym Bluest, se fangen uf eimol
ihrer zwee e Gspröchli a. I mein i heig gloset,
„Nimm das silber Gschirli, und gang e wenig an d' Wiese
„hol es bizzeli Wasser, i möcht gern d' Segese dengle —

Indem ich den Brief zusammenlege, erinnere ich mich glücklicher Weise einer alten Schuld an dich eine Kirschenwasser Bestellung betrefend. Ich weiß noch daß es mir bald als ich dich das leztemal in L[örrach] veranlaßt hatte einfiel aber zu spät, nicht eben so gut weiß ich, ob ich mich unterdessen einmal, was ich wenigstens willens war, zu dieser Schuld gegen dich bekannte, und gar nicht mehr was sie betragt. Um Nachsicht über das leztere bitte ich dich, und zugleich ob ich etwa hier irgendwo durch Anweisung oder Bestellung mich auf eine kürzere Art als durch unmittelbare Uebersendung dieses Pöstchens von meiner eingeiährten Schuld erledigen kann.

 

 

 

  zurück zur Briefübersicht

Anche io sono pittore (lat.) = Ich bin auch Maler

nach oben