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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

Ich lege dir, mein Theuerster, deine zwey Predigten hier wieder an, die mir gestern Herr Geh. R. Br[auer] mit einem freundlichen Imprimatur, ganz unbescherten und unbeschnotten zurückgab. Viele herzliche Empfehlungen von ihm reisen bey dieser Gelegenheit mit, und weil gleichwohl noch für einen Passagier Platz ist, so mag mit mein, des Condukteurs Vorwissen auch noch das mündliche Urtheil des H. GR. von der Seite, wo die Predigten den Censor nichts angehen, blind mitfahren. Aber daß du dich nicht „zum geistlichen Hochmuth", den Heinr. Stilling in seinem Heimwehbüchel zum Richmuth Hochsteigel metathisirt und personificirt hat, sondern lieber zur Auswahl, Revision und Herausgabe eines ganzen Bändchens deiner Predigten mögest verleiten lassen, wenn ich dir unter unsern vier Augen, die sich leider nicht einmal unmittelbar, sondern nur durch Hülfe dieses papirenen Blickleiters begegnen, also auch nicht zwischen vier Wänden, sondern leider zwischen achten, und falls dir der letzte Sturm eine sollte eingedrückt haben, zwischen sieben, oder falls du meinen Brief in deinem englischen Garten lesen solltest, doch zwischen vieren und respektive zwischen dem Grün der Erde und dem Blau des Himmels sage, daß er deine Predigten unter denen, die ihm bey dieser Gelegenheit unter die Augen und unter die Censur gekommen seyen, für die zweckmäßigsten, herzlichsten und in Ansehung der politischen Seitenblicke für die bedachtesten und delikatesten, also ohne Zweifel für die besten erklärt habe. Ob er den Baum des Elends im 1sten Theil der ersten Predigt übersehen oder nicht an den eigentlichen Baum, der gemeint war, gedacht oder ihn, da er doch überall abzudorren beginnt, mit Vorbedacht stehen ließ, will ich lassen dahin gestellt seyn, denn ich vermuthete fast, daß er ihm die Axt der Censur an die Wurzel legen würde. Natürlich wirst du nun in der Revision keine neuen Politika, wie Jean Paul sagen würde, einmauren, und alles übrige, was deine nachhelfende Hand noch dran ändert, wird Gewinn, und nur, was sie etwa allzustrenge und unbarmherzig ganz wegschneiden sollte, würde Verlust seyn. Ich freue mich schon herzlich darauf und werde sie, wenn das Format es irgend erlaubt, mit den meinigen, die noch unbehauset herumfahren, als gute Freundinnen und Schwesterlein cum concessione tua zusammenbinden lassen ... [*] ... Wie beneide ich ieden böotischen Schafhammel, der nach B.[rombach] kommt, um deine Nachbarschaft. Welch ein neuer proteusischer Geistescommerz sollte sich wieder anspinnen? wie manches alte Fädemlein sich wieder anknüpfen? wie manche selige Stunde der Gegenwart lieblich illuminirt vom Rosenschimmer der Vorzeit und von der blauen Zukunft. Aber ich wills erleben, daß ich mich noch auf einen Welschkornstock einimpfen lasse und heillos darauf verkümmere.

Grüße deine liebe Gattinn. Ich sehe ihren schönen, reingeiäteten, fülletragenden Hausgarten, die schwer behangenen Bohnenranken, die schönen runden Salatköpfe, die schönen gelben Cucummern und lege meinen Segen darauf. Möge Liebe und Friede auch iedes Gerichtlein eures bauenden Fleißes, iedes kühlende Salätlein würzen und den Essig und Pfeffer euerer Erinnerung mildern und wikle das milde Baumöhl der Hofnung ein.

Dein redl. Fr.     H.                

d. 19ten Jul.[i 1801].

 

 

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[*] Text fehlt, Inhalt wie folgt: Mylius wünscht vom
Gymnasium weg und nach Brombach zu kommen.

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