zurück zur Briefübersicht |
|
||
AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG |
|||
[Ende September 1800] Auf deinen lieben Brief mein Theuerster, und eigentlich auf deine freundliche Einladung hätt ich dir gern auf der Stelle, wenigstens früher geantwortet als iezt geschieht. Aber ich bin seit dem 13ten p. Trinit. Vicepfarrer in Rüppur zu meinen gewöhnl. Geschäften hier, die sich ohnehin gegen das Examen hin mehr häufen als mindern. Ich bitte dich entschuldige mich! Lieblich flimmert mir das freundliche, heimliche neu etablirte Elysium, das du mir in deiner Einladung aufthust. Aber ich stehe da an einem Strom von Hindernissen und setze an, und messe ab, und merke schon, daß ich dismal den Sprung nicht gewinnen werde. — Halt mirs zu gut mein Bester und nimm mich, wenn ich einmal zwischen Licht unangemeldet aus den Wolken des Proteus heraus vor dir stehe, freundlich auf. Ich komme schon! Einsweilen schicke ich dir statt meiner, weil du mir die Disposition zum Geplauder rechts und links, aufgabst, das Bruchstück eines Briefes nach, der dir schon lange und von der Zeit her bestimmt war, als wir über die Entbehrlichkeit der Philosophey zum Leben ein paar Worte gegen einander fallen ließen. Auf die leere Vorderseite wollte ich damals noch ein Selbend, das heißt eine Einleitung vorweben, zu welcher mir nun die Fäden verweht sind. Unterdessen hats G. R. Brauer und K. R. Tittel gelesen. Ersterer meinte ich solls in ein Schurnal drucken, oder wie Jean Paul sagt, einmauern lassen. Aber was geht die Welt unser Kram an? Und weiter geb ich dir ein Seitenstück zur schnurrigen Schöpfungsgeschichte zum Besten, das ich dir für den Spaß, den mir einst die lezte machte, schuldig bin, wenn ich ihn schon damit nicht bezahlen kann. Du must dirs aber von Stattpfarrer T[reuttel], wenn du Lust dazu hast, ausbitten, und ihm sagen, daß du meine Einwilligung dazu hast. Es ist die Geschichte 1. Sam. 25, V. 2—42. im oberländer Dialekt, in Hexametern, die Scene ist im Schopfemer Kirchspiel. Hab' Spaß daran, wenn du kannst, und theil's nicht mit, und nenn meinen Namen nicht. Ich läugne wie ein Dieb. Daß Zandt krank ward, wirst du wissen. Letzten Samstag wurden sie examinirt. Ich konnte nicht dabey sein. Wucherer und Sander hattens, das heißt, sie wurden auf Studenten examinirt. Mir mit Sander fallen nur die Primaner zu. Auf heute hatte ich sie zu mir eingeladen. Aber der Geist des weht in ihnen. Ich will glauben sie seyen in seinen Schleier verhüllt, bey mir gewesen. Am Donnerstag gehen sie von hier ab. Bommer steht unter der Wolke einer schweren Prüfung, aber sie umschattet ihn zu frühe; es scheint mir, er habe noch nicht den Verstand die Prüfung zu benutzen. Er muß noch tüchtig ins rothe Meer getaucht werden, und am Sinai donnern hören, biß er nach Canaan kommet. — Es in dieser Phrasis zu sagen, wäre mir vielleicht nicht eingefallen, wenn ich nicht gegenwärtig auf Recommandation des Hr. G. Br[auer] Heinrich Stillings Heimweh läse. Es war mir eine interessante Lektüre, wenn ers entweder kürzer gefaßt, oder anderst bearbeitet hätte. Aber eine Allegorie durch 4 starke Oktavbände durchgewunden! Die christlich religiöse Durchführung des Menschen zu seiner Bestimmung im Reiche Christi, dargestellt in der Heimreise eines Heimwehkranken, über Frankfurt, Augsburg, München, Wien, Ungarn, Sclavonien, Constantinopel, Egypten, über die Landenge, nach Sinai, Jerusalem, wo er sich in den unterirdischen Tempelhallen mit der Urania (himmlische Wahrheit) ehlich vermählt, und dann mit ihr und einer zahlreichen Gesellschaft auf Cameelen weiter in den tiefen Orient hineinreiset. — Unterwegs hat er viele Versuchungen und Verfolgungen auszustehen von der Frau von Traun (per anagramma Natur) und Fräulein Nischlinn (Sinnlich), wird aber immer bewahrt, bald durch den Bruder seiner Braut Theodor Josias von Edang (Gnade) bald durch seinen Freund und Begleiter Trevernau (Vertrauen) oder durch den Beldergau (der Glaube) etc. Ich bin am 3ten Theil und bekomme bald das Endweh. Ich bin mit dir sehr begierig auf Hirthes. Das Cons[istorium] hat sehr große Meinung von seiner pädagogischen Befähigung, Leute, die mit ihm studirt haben, sehr entgegengesetzte. Er selbst freute sich sehr über die Vocation und hielt sie für die ausgesucht günstigste, die ihm werden konnte. Ob er für den Bommer, und seine Frau für sie die Leute seyn und ihnen ersetzen werden, was sie an euch haben konnten, zweifle ich, zumal wenn sie Prechthalismen mitbringen sollten. Hier lege ich dir das lezt erwähnte Gedicht an. Es ist nun alt, aber noch immer gut! Ich umarme dich und deine Lieben! Freude und Friede über euch! Dem lieben Mäuslein wirds doch gefallen droben, in seinem neuen Löchlein? — Ewig Dein redl. Freund armenideus
|
|||
zurück zur Briefübersicht |
|