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AN FRIEDRICH WILHELM HITZIG

   

[Februar - März 1800]         

Ohne Zweifel wird es dir mein lieber Zenoides nicht unangenehm seyn, zu hören wie
es um die Besetzung der leeren Stelle am Pädagog. aussieht. Sie wäre ohne Zweifel schon längst besezt wenn die Geschäfte zu St. Giorgio nicht so träge betrieben würden und so viele Stockungen sie aufhielten. Man findet oft in großen und kleinen Weltbegebenheiten, so weit sie auseinander zu liegen scheinen, und so wenig die Augen eines Sterblichen den feinen Faden ihres Zusammenhangs entdecken mögen etwas typisches und antitypisches, und so kommt es mir vor, daß die römische Sedisvaccatur und die unsrige in einem verborgenen Zusammenhang mit einander stehn, und daß keine lange vor der andern könne geendigt werden. Wir müssen also obgleich unser Geschäft das leichtere ist, als billige Leute schon warten, bis das Conclave in seinen schwereren und verwickelteren Geschäften uns ein wenig besser nachgekommen ist. Einsweilen stehn die Sachen so: In dem schon vor einiger Zeit von dem Ephorat vorgelegten Bericht sind Ulrici, Grebel hier und Fischer in Emmendingen als Competenten aufgeführt, und der Antrag auf ersteren entscheidend gemacht worden. Ohne Zweifel würde das Pädagogium an diesem talentreichen und geschickten iungen Mann einen würdigen und nützlichen Mitarbeiter erhalten, der die Wünsche befridigen würde, welche der wohlselige Schwabenhammel, eingedenk der vortrefflichen Klugheitsregel, daß man nie zur Sättigung erfüllen, sondern immer Reitz für das was nachkommt unterhalten müsse, sein Lebenlang unbefridigt ließ. Aber Wust in die Milch macht ihm nun Pfunder in Pforzheim wie es scheint, und Pfunder wird als der weithin ältere ohne Zweifel den Sieg um so viel leichter davontragen, da er dem Consist. eo ipso zur Versorgung des Ulrici eine neue Luke öfnet. Pfunder brauche ich dir nicht zu schildern. Wenn er unter dem reineren und blauen Himmel des Vaterlandes seine Gesundheit und Heiterkeit seines Geistes wieder erhält, was dem armen Märtyrer zu wünschen und zu gönnen ist, so freue ich mich der Wahl und gratulire dem Pädagogium dazu. Aber gesund muß er werden.

Liefert das Pädag[ogium] Setzlinge auf Ostern? Ich bin begierig auf die Promotionen, da das Gymnasium dermalen selbst keine Primaner hat und also keine Novitzen machen kann. Was wird man anfangen, wenn keiner von außen kommt? Was, wenn nur einer oder zwey, ausgerüstet mit allen Requisiten, erscheinen? Was, wenn mittelmäßige Subiekte zum Vorschein kommen, die man im zweifelhaften Fall hinschieben kann, wohin man sie, von äußern Rücksichten motivirt, gerne schicken will? Wird man leichter von der halbgesetzlichen Maxime abgehn, sie noch ein Jahr nach Prima in den Vorofen einzustutzen oder fester darauf halten? Tempus docturus.

Hast du nicht Lust zu Lidolsheim? Man hat Hofnung, daß dieses Iahr die Schnaken wohl gerathen. Laß's bleiben! Das arme Minelein soll nicht von diesen Blutsaugern trübelirt werden. Grüße mir das herzige Minelein und sein gutes Schwesterlein und das liebe Müterlein und macht euch droben irgendwo ein warmes Nestlein. Mit Haltingen und Hausen war nichts mehr zu thun. Es wäre mir auch leid gewesen, wenn du dich vom Unrnuth über eine gegenwärtige und vorübergehende Widerwärtigkeit hättest übernehmen lassen, einen Schritt zu thun, der dich einst bei kälterem Blut oder im Conflikt neuer Unannehmlichkeiten wieder gereuet hätte. Das Bessere ist des Wartens werth. Aber gell, i ha guet sage!

Mich iukts neuerdings gewaltig, auch abzuscheiden und daheim zu seyn. Wie sollte der Thau herabfallen vom Hermon auf die Berge Zions, heist das vom Reichen! Wie sollte die köstliche Salbe duften auf dem Haupte des Priesters und herabrieseln in den Bart und auf des Gewandes Saum!

Gott der Herr behüte dich und deine Lieben. Dein redlicher

Freund     Parmenideus          

 

 

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