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AN JOHANN JEREMIAS HERBSTER

   

Theuerster Freund!

Was mögen Sie denken von einem Freund, der einen lieben Brief von Ihnen schon mehrere Monden lang unbeantwortet im Pulte ligen hat? Denken Sie ich sey saumselig, fahrläßig, ich nehme mir alle Abende das Gute vor, und laße es alle Morgen unerfüllt, kurz denken Sie, was Sie wollen und was ich verdient habe, nur zweifeln Sie nicht an meiner unveränderlichen Hochachtung und Freundschaft gegen Sie und an meiner Gesinnung, mit welcher ich Ihre Freundschaft gegen mich würdig zu schätzen weiß.

Ja, theuerster Freund, nach einer langen Trennung von 9 Jahren, in welchen sich vieles verändert und leider wenig verbeßert hat, ist mir die Erinnerung an iede frohe selige Stunde, die ich einst in Ihrem freundschaftlichen Umgang zugebracht habe, auch neunfach werther geworden, und ich sehne mich, eine solche gute Stunde nicht nur im Geist, sondern auch in der Wahrheit wieder einmal zu genießen. Es ist für mich wahr und bleibt für mich wahr, der Himmel ist nirgends so blau, und die Luft nirgends so rein, und alles so lieblich und so heimlich als zwischen den Bergen von Hausen und die Biederkeit der Freundschaft ist auch wohl in keinem Herzen beßer daheim, als in dem teutschen Herzen des Herrn Berginspektors von Hausen.

Ich denke, Sie werden einen sehr guten Freund an dem iezigen Herrn Pfarrer haben, und dismal beßer mit dem Consistorium zufrieden seyn, als damals, als es Sie mit dem Hofmann, so tröst' ihn Gott! angeführt hat, und wenn ich einmal ungewarnt und unversehens über den Maiberg herüber oder über's Sätteli herab komme, so wird mich Engler lieber einmal auf seiner Kanzel predigen laßen, woran ich doch auch noch ein halbes Recht habe, als iener lange Bohnenstecken und Blitzableiter. — Wenn ich wieder einmal ins Oberland komme, so komme ich gewiß von Müllheim oder Candern her recta über die Berge, denn das hab ich nun schon gemerkt, daß ich den Weg über Lörrach nach Hausen nimmer gewinne.

Darf ich Sie noch mit einer Bitte beschweren mein Freund! Es sind mir bey B. mit letztem Martini wieder zwey Jahreszinse verfallen, und es scheint, er sey schon gewohnt, auf Ihre Erinnerung zu warten. Wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, so haben Sie die abermalige Güte für mich, diese zu machen, und wenn sie etwas fruchtet, das Geld für mich in Empfang zu nehmen, und auf dieienige Weise, welche Ihnen selbst die bequemste seyn wird, mir dasselbe zu seiner Zeit zu übermachen. Ich fühle, daß ich mit diesem Geschäft Ihnen viele Mühe mache, aber desto gewißer seyen Sie meines Dankes und meines Wunsches, daß ich auf irgend eine Art im Stande seyn möge, Ihnen angenehme Gegendienste zu erweißen.

Ich bitte Sie, Ihrem verehrtesten Herrn Sohn und Ihrer übrigen theuersten Familie mich bestens zu empfehlen, und weil wir nun bald einem neuen Jahrhundert ins Antlitz schauen, so solls viel Freude und Trost und langes Leben mit bringen, und „Unsere Freundschaft soll bestehen"! — Das ist der Wunsch

Ihres redlichen Freundes    J. P. Hebel            


C. R. d. 14. Dec. 1800.

 

 

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