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AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

Theuerste Freunde!

Das herannahende Ende des Jahres mahnt mich, meine Briefschulden zu bezahlen, oder wenigstens zu bekennen, wiewohl es immer etwas unangenehmes und störendes hat, und daher nicht gut ist, sich die Zeitabschnitte so scharf als möglich zu markiren, und aus dem Leben, das so leise und stet aus einer Minute in die andere hinüber rieselt etwas Unganzes zu machen, und gleichsam künstliche Catarhakte hinein zu bauen. Wäre daher nur Ihr lezter Brief etwas iünger als er ist, z. B. vom 3ten dieses Monats, so wüßte ich das alte Jahr recht schön mit dem neuen zu verschlingen, daß ich ihn erst den 3ten künftigen Monats beantwortete. Aber wie sehr habe ich Sie um freundliche Nachsicht zu bitten, daß es auch jezt noch, schon spät genug geschieht. Mögen Sie unterdessen gesund und heiter und stark genug geblieben seyn Ihre Prüfungen zu ertragen. Wie glücklich wäre ich mit Ihnen, wenn das neue Jahr mit dem Morgenglanz einer schönen Zukunft, Ihnen entgegenkäme. Schreiben Sie mir doch ia bald, wie es um Sie steht. Knüpfen Sie mir das alte Jahr recht eng mit dem neuen zusammen. Gern möchte ich mich ein [we]nig gegen Sie beschweren, daß Sie mir nicht öfter schreiben, wenn es nicht eine unbillige Zumuthung wäre. Mein Leben stiehlt sich mir unter unangenehmen Geschäften, unwillkommenen Zerstreuungen, Sorgen seltsamer Art und schweren Launen weg, die keinen ändern Gegenstand als sich selber haben, wie alle böse Hypochondrie, vor der Sie Gott bewahren und mich, wenn es noch der Mühe werth ist, befreien wolle. Bis im Frühiahr muß ich wieder ausziehen, weiß noch nicht wohin. Da will ich mir aber ein nettes Stüblein für meinen lieben kleinen Hausgenossen aussuchen, der mir versprochen ist, und mich erheitern soll. Wenn ich dich liebe Caroline herzlich grüße, und dir für zwei liebliche Sträuße nemlich dein Brieflein und das andere vom Belchen gut bin und dir danke, so bist du damit nicht abgefertigt, du sollst nicht mit einem eingemauerten Brieflein, wie unser sei. Jean Paul sagt, davon kommen. Trage nur noch ein wenig Geduld mit deinem schwerfälligen Pathen, und denke an Carlsruhe auch zum Wiedersehen auf die Kirschenzeit.

Leben Sie alle wohl theure Seelen.

Mit herzlicher Liebe Ihr redlicher Freund      Hebel           

d. 27ste Dec. 1825.

 

 

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mein kleiner Hausgenosse: Haufes neunjähriger Sohn
Oswald, der auf der Straßburger Schule nicht recht
gedieh, sollte zu Hebel in Kost und Logis kommen,
um das Gymnasium in Karlsruhe zu besuchen.

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