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AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

Theuerste Freunde!

Es fieng mir schwer an, bedenklich zu werden, weniger daß ich so selten mehr an Sie schreibe, als daß Sie mir seltener, gegen sonst, antworten. Denn ieder freundliche Brief von Ihnen iede Nachricht, wie Sie sich in den letzten drei Wochen befunden, und wie Sie da und dort auch an Ihren Freund gedacht haben, ieder Sonnenblick den die gute Frau Sophie aus ihrer frommen Seele an mich, nein in mich hinein scheinen läßt, waren immer die richtigen canonischen Antworten auf meine apokryphischen Briefe. Möge die Wiederkehr Ihrer Gesundheit theuerste Freundinn, Ihrer Heiterkeit und Gemüthsruhe sich mir bald auch nur in wenig Zeilen, wenn auch nur in einem einzigen Streckverslein offenbaren. Aber warum haben Sie Ihr Vorhaben aufgegeben, etwas von dem schönen Frühling hier zuzubringen, oder warum hat mich der böse Thurn mit dieser Hoffnung getäuscht? Doch diese Frage ist mehr eigennützig, als besonnen. Ich wollte auf Pfingsten mit meinem Gesang und Brevierbüchlein eine Wallfahrt und einen Bittgang in das Bühlerthal thun, und die heiligen Oerter besuchen, und Pfingstandacht — Sie wissen wohl mit welchen Liedern, mit denen die auch Ihnen gefielen, halten, und auf dem Kappler Kirchhof das Fest meiner künftigen Auferstehung von den Toden vorgenießen. Das Todesschläflein hätte ich vorher unter den Bäumen in der Hub figurirt. Statt dessen hörte ich am Pfingstmontag den Pf. Hennhöfer in Rippur predigen. Das Kirchlein war wenig voll. Kaum 20 Personen von hier. Doch kam unerwartet und ganz allein der Großherzog und sezte sich unter uns Volk. Henn. verrieth, daß er noch mehr Sprüche kennt als die vielen die er anführte, z. B. auch den „ihr sollt nicht sorgen, wie oder was ihr reden wollt". Der heilige Geist wird euch an Ort und Stelle alles sagen. Die Pred. war frisch von der Kanzel weg gebohren, reich an Bildern und Streckversen z. B. auch der kleine auch der schwache Glaube ist Gott gefällig. Die kleinen Kinder erben ia mit den Großen, und die schwächsten sind den Müttern die liebsten. Sonst war die Predigt tief populär, ans gemeine streifend hart orthodox, etwas wenig pietistisch gefärbt, stark ansprechend, die Aktion sehr lebhaft und mit viel Schnupftuch. Sie schien mehreren Zuhörern, die ein Urtheil haben, nicht zu mißfallen, andern sehr. Mir wurden wenigstens die 5/4 tel Stunden nicht lang vielleicht, weil ich auf 2 gefaßt war. Auf das Volk wirkte er stark. Noch ist über seine Anstellung nichts entschieden. Aber sagen Sie H. Cammerer nichts davon, sonst bringt er zum zweiten mal einen Verleger ins Unglück und gelegenheitlich mich in Verlegenheit.

Ich beklage die Armee in Spanien, daß sie keinen Feind findet. Ich hätte den franz. Waffen einen Krieg gewünscht.

Den Wechsel für 36 fl. habe ich empfangen. Aber ich bitte Sie ernstlich mir Rechnung abzulegen. Ich schreibe, wie Bärenwirth Reuther und Elkan Reutlinger nichts auf, und kann mich nicht überzeugen, daß Sie mir nicht zu viel geschickt haben.

KRath Dolls grüßen Sie. Im Jul[i] geh ich doch ins Bühlerthal. Hennhöfer wird nicht den ganzen Sommer predigen. Wiewohl er könnts. Mit herzlicher Liebe

Ihr Freund    Hbl.                

CR. 25. Mai 1823.

 

 

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