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AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

[15. Dezember 1818]         

O ihr Lieben und Guten! Fast müßt ich auf den bösen Gedanken kommen, wenn ich mich selber nicht besser kennte, daß ich auf den feindseligen Gedanken gekommen sey, nie mehr nach Klein Straßburg zu wallfahrten, und habe doch 3 Liebfrauen Kirchlein dort, ohne die Capellen, und sitze so oft im Geist darinn, sogar in schönen sonnigen Träumen der Nacht, wo man sich wirklich näher ist. — Ich fange wie ich sehe, ganz heilig und catholisch an, und bin es auch. Denn ich schreibe wirklich eine heilige Geschichte für die Kinder, für unsere Kinder in Kl. Straßb. und lebe am Berg Tabor, unter den Palmen von Jericho, am Brunnen Jakobs am heiligen Grab, und wie gesagt bei euch. Ich möchte gerne, daß dieses Geschäft, welchem die Weihnachtsferien unentbehrlich sind, als geltende Verhinderung von euch angesehen würde, denn ich habe keine wichtigere. Die Arbeit muß wills Gott bis Ostern fertig seyn. Es ist mir iede Stunde der freien Zeit und frommen Geistesstimmung dazu theuer, absonderlich die heilige Zeit, wann die Festglocken läuten und nachklingen, und die Spätzlein ans Fenster kommen.

Wer mehr als eine Entschuldigung hat, macht gewöhnlich die folgenden selbst, aus Besorgniß, die erste reiche nicht aus. Das thue ich nicht leicht, selbst, wenn ich, wirklich zwei habe. Aber iezt ligt mir die zweite wirklich nahe, die unartige Jahreszeit und die unsichere Witterung, wenn die wenigen Tage auch noch vollends so kurz sind, und die kommenden doch mit dem biblischen Geschichtbüchlein sich strecken, und wills Gott immer schöner werden. Von dem unlustigen Reisen in dieser Jahreszeit wollte ich nicht einmal Erwähnung thun, wenn nicht die Heimreise auch ein Theil vom Ganzen wäre, und selbst in der guten Jahreszeit, für mich der unlustigere.

Ich wollte den bösen December recht schlimm ausmalen, wenn ich nicht fürchtete mir selbst einen anderen Tort zu thun, da Freund Haufe an eine Reise hieher denkt, der zwar auch noch iünger als ich ist, und mehr Frühling in sich selber hat, auch des Reisens gewohnter ist. Nein auf ihn paßt nicht, was ich sagte. Er soll nur bald kommen, recht bald, und mich mit sich und vielen lieblichen Auskünften auf eine ganze Freundesbrust voll theilnehmender Fragen erfreuen. Recht bald! Meine besten Grüße an die Freunde und Kin-derlein, denen ich das heilige Büchlein selber zu bringen hoffe, wenn es möglich ist.

Herzlich Ihr Freund       Hebel        

 

 

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