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AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

Liebe theure Freunde!

So ganz maustod bin ich deswegen doch nicht. Aber ist's Wunder, daß ich's gern wäre, und mich so zu sagen lebendig eingesponnen habe, wie die Larve eines Zwiefalters, oder wie ein Mönch in der ehemaligen Abtei Zwiefalten.

Es halten mich wirklich viele Leute für scheintod, und ich rechne es zu dem Glück der besseren Zeit, worinn ich lebe, daß man mich noch nicht begraben hat. Uebrigens ist es meinem eigenen Vermuthen nach nur ein galvanischer Versuch, den das heilige Adventsgeläute mit mir macht, daß ich heute schreibe. Aber daß ich an Euch schreibe ist kein galvanischer Prozeß, sondern ein magnetischer.

Ich will es nicht für nöthig halten Ihnen zu sagen, daß ich oft mit Liebe und Theilnahme an Sie dachte und denke, wenn mir schon noch niemand geschrieben hat, wie es Ihnen während und seit der Belagerung ergangen. Wiewohl Kleinstraßb. kann nicht eigentlich sondern nur in sofern belagert werden, als es in Gr. Str. ligt, wie aus dem nemlichen Grund Gr. Str. das sonst keine fremde Einquartirung aufnimmt, die Assmanshäusische sich muß gefallen lassen. Indeßen erfahre ich von Zeit zu Zeit durch die Corker und ie einen Straßburger z. B. den artigen und sinnigen iungen Maler von Magdeburg ganz ordentlich, wie es um Sie steht, und daß es ganz ordentlich um Sie steht, und daß Sie auch an mich denken und mich grüßen lassen, welches alles mir als eine Art von Cichoriencorrespondenz sehr erfreulich ist. Doch ist es immer nur ein Surrogat, neben dem man allerdings die wirkliche auch wieder einmal trinken könnte. Ich bitte Sie recht schön. Sie haben mir so viel zu sagen, wenn Sie wollen.

Ich weiß zwar noch nicht, an wen sich dieser Brief von außen addressiren wird. Innwendig addressire ich ihn an die Häuser Weiler, Schneegans, Haufe, Münz und setze ihn insofern in die Lotterie. Denn er kann mir auf diesen Weg eben so gut eine Quaterne eintragen als eine Niete.

In noch drückendem Gefühl eines bösen Scheins den ich in Garten- und Wiesensämereisachen einst in Itenheim auf mich zog, lege ich für Freund Schneegans um mich vor einem neuen zu verwahren, anligendes Schreiben von Musseli bei, das ich für diese Bestimmung bis ietzt aufbewahrt habe, und bedaure das Fehlschlagen dieser Commission. Leben Sie wohl, liebe Freunde! In der Antwort können Sie das „wohl" weglassen und nur schreiben „Leben Sie!" Mehr geschieht doch nicht.

Von Herzen der Ihrige    Hebel             

CR. d. 10ten Dec. [18]15

 

 

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