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AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

Liebe Freunde!

Ihr könnt nicht viel größere Schwulitäten für euch selber gehabt haben, als ich, vielleicht gar kleinere. In der Entfernung denkt man sich die Gefahren derer die man liebt gewöhnlich größer, als sie sind. Ihren ersten Brief lieber Haufe — denn ich schreibe zugleich an Schneegans, ia an ganz klein Straßburg — habe ich richtig erhalten, und danke Ihnen sehr für iene Nachrichten. Es ward mir ganz heimlich und wohl als ich von dem eigenen Kühlein und Hühnervolk hörte. Es schoß mir eine Art von Arche Noe und Patriarchenleben an. Es war immer mein Trost, daß ich — wir Alliirten sprechen von uns selber bald im Singulier bald im Plurier — euch wegen Kehl nicht von der Rheinseite her beikommen konnte, wo doch mein eigentliches klein Straßburg ligt. Aber wie ich merke, war es nirgends groß gefährlich. Bald wirds nun hoffentlich klar seyn, und der große 20jährige Gährungsproceß ein Ende haben. O, daß aller Haß und Hader, alle Leiden und alle Thränen und wenn es möglich wäre, alle Erinnerungen daran sich als Hefe niederschlügen oder ausschieden und nur ein reiner süsser Lebensmuth für uns oben stünde, an dem ihr lieben freundlichen Seelen noch recht lange, ich auch noch eine Zeitlang zu trinken hätte.

Ich will mir kein Tagebuch der Belagerung ausbitten, aber eine freundliche Auskunft wie ihr euch alle befindet, besonders die Kinder, namentlich August, nächstdem auch die Mütter, und die Vätter. Ich komme schwerlich eher nach Straßburg, als biß die Badischen und Rußen drinn sind, und weil ihr dieses nicht zu wünschen scheint, so will ich — ich spreche wieder als Aliirter — nicht sehr drauf dringen. Ich sehe, lieber Thurn, daß man auf beiden Seiten unbillig seyn kann. Hier nehmen es Leute wirklich übel, daß in Str. eine so böse Stimmung herrschte, als ob ihr schuldig gewesen wäret, aliirt gesinnt zu seyn. Nehmt es doch unsern Belagerern nicht so hoch auf, daß sie nicht französisch oder straßburgisch gestimmt waren. Wir sind unschuldige Kinder gegen dem Betragen der edlen Söhne der großen Nation, wenn sie in Feindesland waren, und könnten euch ein anderes Sündenregister vorhalten — aber wozu? Wir Kleinstraßburger leben ia mit einander im ewigen Frieden den Kant für Großstraßburg vergeblich sucht. Tausend Grüße. Herzlich Euer

Peter I.                    

Mitglied der hohen              

Coalition.                   

30. Apr. [1814]

 

 

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