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AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

[13. Mai 1809]       

Ich will euch, liebes Nestlein voll Junge und Alte avertiren, daß die Böttinn künftige Woche kommt mit meinem Gruß, meinem Brief und etwelchen Flugblättern zu welchen der Brief die Klein-Straßburger Dedikation und Vorrede vorstellt.

Der geneigte Leser beliebe nemlich sich einigermaßen zu verwundern, daß ich die Cantate doch schicke, ob ich gleich zum Gegentheil gegründete Hoffnung gemacht hatte. Herr Kamtmann sah nemlich die ganze Auflage bey mir ligen. Ich schwelgte in einem glücklichem Überfluß. Aber wie man keinen Korb voll Aepfel, wärens auch mittelmäßige, ausleeren kann, wenn iemand zu einem kommt, ohne ihm auch einen anzubieten, und wird ordentlich gerührt, wenn er ihn annimmt, und steckt ihn in den Sack, anstatt sogleich anzubeißen, um ihn nicht durch das unwillkürliche Zusammenziehen der Muskeln unter des Gebers Auge zu rezensiren, also mußte ich Hn. Kamtman, ob ich gleich voraussah, welche Folgen es nach sich ziehen wird, auch ein Exemplärlein anbieten, und nun kann natürlich kein Mensch in Straßb. so etwas von mir bekommen das ihr nicht schon vorher habt, den einzigen Fall ausgenommen, wenn er es vorher hat, und ihr bekommts nachher.

Unter Ihr verstehe ich Euch und den Assmanshauser Hof, ob ich gleich nur 1 Exemplar schicke und drei schicken könnte. Ich denke, wenn Sie es, nebst meinem Gruß und auf ausdrückliches Verlangen der Mad. Weiler mittheilen und sie ebenfalls mit meinem Gruß und auf ausdrückliches Verlangen der Mad. Schneegans, und meine dortige Pathe läßts alsdann, wie wohl ohne Gruß und ohne Verlangen bey günstigem Wind an die gegenübersitzende Frau Hirschleinswirthin von Stappel fliegen (was sich Flugblätter müssen gefallen lassen), so kommts geschwinder aus den Händen, als wenn ich euch eine ganze Dreieinigkeit unter Dach und Tisch zu bringen zumuthete. — Das Gesellschaftslied lebt wirklich schon und seit gestern sein zweites Leben, ist aber um kein Haar seliger, oder fleckenloser oder verklärter als in dem ersten, zu welchem es schon vor 6 Jahren gebohren ward. Wenn Mad. Sophie die Musik zur Cantate nicht kennt, aber wünscht, so werde ich ihr zu einem Clavier-, ia auf Bestellung zu einem Clarinetten, Heerpaucken und Waldhornauszug verhelfen können.

Ich kann die Dedikation und Vorrede meiner neuesten Werke nicht schließen, ohne ihnen noch einen zwar nur schwachgestreckten Polymeter zu setzen.

Der May und der Oktober sind die Jahreszeiten für die Flugblätter, dieser für die prosaischen der Aeste und Zweige, iener für die poetischen der Blüthen. Aber beyde fliegen nur weil sie welk sind, und alle nur, wenn ihr Zweck erreicht ist, und sie sonst nichts mehr zu thun haben. Die Blüthenblätter sind auch nur eine Gelegenheitsschrift der Natur, eine vorläufige Annonce der Kirschenerndte, auf die sich meine Pathe freut, eine Composition zur Cantate der Distelfinken. Deswegen hören sie auch auf zu singen, wenn die Noten zwischen den Linien hinabfallen.

Zweyter Polymeter, dem ersten gesetzt: Wie der schöne Schwetzinger Garten nach all seinen Gränzen hinaus sich immer mehr den natürlichen Anlagen der Natur nähert bis er sich ganz in sie verliert, und dadurch ein Streckgarten von unendlichem Umfang wird, so verlieren sich meine Streckverse in Streckprosa und könnten lange werden wenn ich wollte, Werdens auch bisweilen, wie ich an gegenwärtig laufendem zeigen werde, mit dem ich den Brief zu schließen gedenke. Es gehört also auch noch als ein Bestandtheil dazu, daß ich nicht zu den Narren iust gehöre, die sich eine Ehre daraus machen den J. Paul nachzuahmen und nicht zu erreichen. Denn die Ehre wäre höchstens nur auf J. P's, nicht auf J. P's [Johann Peters] Seite. Sondern ich thue es nur unter uns theils zum Spaß, so lang wir einen dran finden. Wenn Ihr keinen dran findet, desto besser, so ist die Sache ernsthafter, folglich auch wichtiger theils aus wirklicher Ansteckung, weil ich wirklich D. Katzenbergers Badreise von J. P. lese und alles Tabacksräuchern und Weinwaschen, selbst innerlich nichts hilft. Es geht mir auch so, wenn ich Hexameter gelesen, oder gar selber gemacht habe. Gewöhnlich denke ich noch eine Zeit lang sechsfüßig fort. Wenn Sie den Katzenberger noch nicht kennen, so biete ich ihn an, bitte mir ihn aber bald wieder aus, aus dem nemlichen Grund warum ich ihn vielleicht anbiete, weil ich selber darin, weniger vergöttert als verdroßelt erscheine. Legen Sie einsweilen der guten Mad. Weiler in ihrem Witwenschleier die aufrichtige Theilnahme ihres Freundes ans Herz. Bald komm ich aus dem Strudel der Geschäfte wider ein wenig, und schreibe dann viel. Ende des 2ten Polymeters.

H.                   

 

 

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Cantate: eine von Hebel gedichtete Festkantate
anläßlich der Übersiedlung der Karlsruher
Museumsgesellschaft in ihr neues Heim.
Gesellschaftslied: Das bei Macklott erschienene
„Freundschaftslied für die Lesegesellschaft bey
ihrer Versammlung 1803."
weniger vergöttert als verdrosselt: Am Schlüsse der
Besprechung der Alemannischen Gedichte, die Jean Paul
seinem 1809 erschienenen Buche „Dr. Katzenbergers
Badereise" beigegeben hat, spricht er von „dieser
alemannischen Drossel im Schwarzwald".

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