zurück zur Briefübersicht

 

   

AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

[15. Okt. — 25. Oktober 1808]         

Sollte iedoch in meiner Abhandlung über den Egoismus etwas übertrieben seyn, so ist es höchstens die Behauptung, daß es nur einen Akt, rein von allem Egoismus im menschlichen Leben gebe, nemlich wenn man stirbt. Denn es giebt zwey. Der zweite ist, wenn man sich von einem Freund gutwillig dem Herrn Ohmacht in die Hände lifern läßt, und bey lebendigem Leib zu Alabaster wird, ohne einen Abdruck davon sonderlich zu verlangen. Um iedoch mein Wort zu retten, will ich behaupten ich habs nicht gutwillig gethan, und verlange einen sonderlich. Ich wills drauf ankommen lassen, ob sich mein Egoismus verstärkt, wenn ich zu gleicher Zeit am Tisch sitze und am Nagel hänge, und mich selbst außer mir sehe, oder ob er sich ebendeswegen bricht. Kurz ich möchte auch einmal selbander in meinem Stüblein sitzen, und könnte alsdann ruhiger nach Straßburg wandeln, wenn einer von uns daheim bliebe. Ich will Sie also schön um einen Abdruck bitten, ob ich gleich weiß, daß ich keinen bekomme.

Wenn ich dismal nicht nach Str. komme (mit dem Oberland ists ohne hin nichts), so ligt die Schuld nicht an mir, sondern am neidischen Zufall. Für zwey Beine, die wieder ihre ganz eigene Art von Egoismus haben ist der Weg zu weit, für ein eigenes Fuhrwerk ebenfalls, oder vielmehr zu lang. Vor dem deutschen Thurn und Taxis graust es mir in dieser Jahreszeit. Ich habe daher, wie eine Spinne Fangfäden in alle Straßen ausgesponnen, um einer Schäse, die hinauffahrt habhaft zu werden. Ich habe wenigstens 20. Ohren in der Stadt im Sold, aber mit allen 20. noch nichts gehört. Sobald eine kommt komm ich auch, (d. h. in dieser Woche noch. Am Montag fangen wieder die Geschäfte an.). Wenn ich nur eine Gelegenheit hätte, hinauf zu kommen, für die Heimkunft wäre mir alsdann nimmer bang. Denn ich halte es in solchen Fällen mit mir, wie mans mit den Pudeln haltet, die man ins Wasser wirft. Einsweilen, und weil die

[d. 25. Oktob.]         

Solches hatte ich vor circa zehn Tagen geschrieben, und weiß iezt an dem oben abgebrochenen Trumm nimmer fortzufahren. Wenns nur nichts Witziges war, was ich sagen wollte! Es wäre schad dafür. Statt meiner schicke ich den viel gewanderten Trauschein. Er kostet nichts, als das Porto von hier aus, unter welchem mein Brief mitlaufen mag, frey. Wenn ich Ihnen nur bey dieser Gelegenheit viel zu schicken hätte.

Nun mein lieber Thurn, ein Wort im dringenden Ernst. Unsre kleine Gegenrechnung mit einander verwirrt sich in meinem Andenken immer mehr, weil ich löblicher Weise nichts aufschreibe. Es ist Zeit, daß wir sie berichtigen. Ich bitte Sie recht sehr, sie ihres Orts doch ia in Bälde zu entwerfen und mir zuzusenden. Wo Sie selber Ihrer Sache nicht glauben gewiß zu seyn, da thun Sie wenigstens sich nicht unrecht, sondern setzen Sie es als zweifelhaft aus.

Grüßen Sie mir das Weiblein und das Täublein, und die Freunde! Es wurmt mir noch einmal mit dem Abdruck. Wenn er mir nicht wäre versprochen worden, und wenn ich nicht so eitel wäre, so wollt' ichs eher verschmerzen.

Gott zum seligen Gruß!                                                              J. P. H.

 

N.S. Ein dritter Akt, rein von Egoismus kann allenfalls noch das Anschwätzen seyn.

 

 

  zurück zur Briefübersicht

 

nach oben