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AN CHRISTOF GOTTFRIED HAUFE

   

Karlsruhe d. 25 sten Mertz 1804       

Ich hätte Ihnen früher geantwortet, mein Bester, wenn ich früher dazu gekommen wäre den Discours des H. Prof. Hafner vollends zu Ende zu bringen, und ich antwortete Ihnen in der Sprache, in welcher Ihr Muthwillige mir geschrieben habt, wenn mir die Muttersprache nicht geläufiger wäre, und ehrlicher aussähe. Das Letztere sage ich nicht aus Eingenommenheit gegen die französische Nation oder Sprache — wie undelikat wäre dis, indem ich nach Frankreich und an französische Bürger schreibe, — sondern weil es nur mir etwas fremdes ist, zuverläßige und wohlwollende Gesinnungen in dieser Sprache ausgedrückt zu sehen und wieder mitzutheilen. Ich kenne sie als Mittel des freundschaftlichen Gedankenwechsels, nur aus Briefen, die in Zeitungen etc. gedruckt zu lesen sind, und aus Reden und Gegenreden an öffentlichen Orten, zwischen Personen die fremd, oder weit gereist, oder vornehm sind, oder scheinen wollen, und da ist es mir denn nicht zu verargen, wenn ich meine es lasse sich im Französischen nicht so gut, wie im Deutschen unterscheiden, was von Herzen geht, und was Kompliment ist. Allein ich weiß gar wohl, daß ich unrecht habe. Es ist im D.[eutschen] auch so. Mann merkts den Worten nicht an, sondern man muß den Menschen und seinen Charakter kennen, und wenn Sie und Herr Schneegans mir noch öfters französisch schrieben, so würde sich mein verstimmtes Gefühl über diesen Punkt bald berichtigt haben. Denn Sie haben mir einen neuen Beweis Ihrer guten Gesinnungen für mich gegeben, indem Sie mir einen so schönen Theil Ihres hiesigen kurzen Aufenthalts gewidmet, und zur werthen Bekanntschaft Ihres Freundes geholfen haben, den man nicht lange um sich haben darf, um seine Biderkeit zu ahnden, und daran zu glauben, er mag deutsch oder französisch schreiben. Ich sage das lieber Ihnen, als ihm ins Gesicht. Die Abhandl. des H. Prof. Hafner habe ich mit Vergnügen gelesen, und danke Ihnen dafür. Der Gegenstand ist für die Veranlassung sehr zweckmäßig gewählt. Man sollte zwar meinen, es verstehe sich alles von selbst, was sich über diesen Gegenstand sagen ließe, wenn man nicht in unnöthige Gelehrsamkeit ausschweifen wolle. Aber es versteht sich nicht alles und an allen Orten von selbst, was man meint, und es gibt Dinge, die nicht oft genug gesagt werden können, wozu leider diese Materie auch gehört. Nur muß mans so rein und lichtvoll so lehrreich und praktisch, so mit umfaßendem Ueberblick des Ganzen, und weiser Auswahl der einzelnen Winke und Belege thun können, wie Herr H. nach meinem Urtheil wirklich gethan hat. Hier haben Sie denn meine Meinung darüber, weil Sie sie verlangen, und mir sogar schreiben, daß Sie darauf begierig seyen. Es ist schön, daß der Künstler sich auch für gelehrte, und sogar theologische Gegenstände interessirt, aber nicht mehr als billig, denn wir interessiren uns auch für die Kunst.

Iezt ein anderes Wort! Ich löse mein Versprechen auf Ihre schöne Verbindung zu Ihnen zu kommen, iedoch mit Ihrer Einwilligung gegen das Versprechen aus, Sie zu besuchen, wenn Sie verbunden sind. — O weh! Ich sehe Ihr Gesicht, denn ich weiß gar wohl, wie Sie aussehen, wenn Sie unwillig sind. Aber ich hoffe meine Gründe werden Ihre freundliche Heiterkeit bald wieder zurückrufen.

Es ist ein weiter Weg nach Strasb. — nicht um bey Ihnen zu seyn, und ein Zeuge und Theilnehmer Ihrer Freuden zu seyn, da ist es nicht weit — aber um es nur einen Tag lang oder zwey, unter mancherlei ändern Zerstreuungen solcher Tage seyn zu können; und es ist zuviel, auch wenn Sies gerne thun, daß Sie und Ihre Freunde bey einer Handlung, die ein so vielfaches Interesse hat, sich nach einem einzigen richten sollen, wann und ob er kommen kann. Ich möchte, um von meinen eigenen Rücksichten anzufangen, wenn ich nach Stras. komme, nicht blos kommen und wiedergehn. Ich möchte, iedoch ohne Sie zu beschweren, das werde ich nie, länger dort und in der Gegend weilen; ich möchte ruhig dort seyn können, und nicht von meiner Zeit sondern von meinen Wünschen abhängen; ich möchte Sie und Ihr Täublein in Ihrem stillen häuslichen Wesen und Frieden sehen und genießen, das möchte ich, und berechne dabey Ihren Vortheil so gut als den meinigen. Sie sind als dann, was die Zeit Ihrer Verbindung betrift ganz ungenirt, und können sich völlig nach sich, Ihren Wünschen und mancherley möglichen Zuträglichkeiten richten, und gewinnen dabey. Denn da ich gutmüthig voraussetze, daß Ihnen meine Erscheinung in Str. einige Freude machen werde, so kann ich auch sagen, daß sie an dem Tage, wo Sie ohnehin von Freunden und Freuden umgeben, und der glücklichste Sterbliche seyn werden, nicht so wohl angelegt wäre, als einige Zeit nachher, wiewohl es Ihnen an Freunden nie fehlen wird. Was ich — nicht Sie — dabei verliehre; weil man doch in der Welt keinen Gewinn in der Stille einthun kann, ohne dem Staat oder dem Schicksal einen Abzug davon zu entrichten, ist freilich das — erstens, daß ich Sie alsdann etwas später sehe, und zweitens, daß ich Ihnen die Einweihung zu dem Glück des Lebens, das Sie verdienen und zu erwarten haben, nicht geben kann. Aber dafür will ich mich schon schadlos zu halten suchen, und meinen stillen Segen haben Sie auf alle Fälle.

Was wird Herr Schneegans dazu sagen — denn Sie kennen mich schon lange. Er wird merken, daß Sie es mit einem wankelmüthigen Menschen zu thun haben, der sich von schönen Ansichten leicht und schnell übernehmen läßt, zuerst Entschließungen faßt, und nachher überlegt. Es ist mir nicht lieb, daß ich mich so geschwind verrathen habe, und — doch lieber, wenn man mich kennt, wie ich bin, als wenn man sich in mir täuscht.

Ich möchte Ihnen auf den übrigen weißen Raum da gerne auch noch etwas Neues schreiben, aber wir haben hier nichts, als Gottes Güte, die nach einem alten Sprüchlein alle Morgen neu ist, und neue Bauplane.

Grüßen Sie mir Ihr Bräutlein, und seyen Sie mein Fürsprecher bey Ihr, wenns nöthig ist, und laßt Euch die lange lange Zeit nicht zu lange werden, bis die Morgenröthe Eures schönen Tages aufgeht, oder vielmehr die Abendröthe.

Ich bin von Herzen Ihr ergebenster Fr.     Hebel      

 

 

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Hafner: J. Haffner, Des secours, que l'etude des langues,
de l'histoire, de la Philosophie et de la litterature offre
a la Theologie. Paris & Strasbourg 1804.
Ihre schöne Verbindung: Haufes Vermählung mit der
18jährigen Sophie Bögner.

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