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AN CARL CHRISTIAN GMELIN

   

Ich habe mir theuerster Herr Dr, Girtanners Schrift über das Kantische Princip für Nat.Geschichte angeschaft und studire nun dieselbe. Da ist Licht und Warheit, und Nahrung für den Geist, wenn er sich an euerm magern Natursystem hungrig genagt hat. O was seid ihr für Mikrologen und Wortdüftler ihr Schulsystematiker, und wißt nicht einmal, daß eure ganze Wissenschaft nicht einmal Nat.Geschichte sondern nur Naturbeschreibung ist. Aber kommen Sie nur heim mit der Meinung mich noch als Ihren Schüler anzutreffen; Sie sollen sehn, wie ich den Stiel umkehren, und mich als Ihren Lehrer legitimiren werde. Unterdessen benutzen Sie immer noch die Gelegenheit, etwas anders zu lernen, womit Sie im Vatterland ihr Brod verdienen können. Denn mit Ihrer sogenannten Naturgeschichte wirds bis dorthin nichts mehr seyn. Spaß bei Seite, mein lieber H. Doktor! Der Tittel dieses Buchs hatte mich sehr neugierig gemacht; ich habe mir dasselbe angeschaft, und viel schönes, lehrreiches und befriedigendes darinn gefunden, ob es mir gleich hie und da zu sehr ausschweift, und bisweilen etwas unstatthaft zu verfahren scheint, wenn es statt aus Faktis die Naturgesetze zu abstrahiren, letztere a priori zuvor aufstellt, und die Wahrheit von den Faktis um deswillen in Zweifel zu ziehen scheint, weil sie den aufgestellten Principien widersprechen. — Schreiben Sie mir doch, wenn Sie das Buch auch gelesen haben
Ihre Meinung darüber. Denn ich fühle mich noch so schwach, daß ich meinem eigenen Urtheil nicht eher traue, als bis ich es durch das Ihrige bestättigt weiß.

Auch hab ich nun den zweiten Theil von Hofmans flora für 4 fl. 30 kr. erhalten. Ich weiß zwar, daß Sie darauf nicht besonders gut zu sprechen sind, vermutlich weil Sie merken, daß dadurch die flora des unbedeutenden badischen Ländleins entbehrlich wird. Indessen kann ich Ihnen nicht bergen, daß ich diese Bearbeitung der kryptogamischen Pflanzen für tief gelehrt halte, wenigstens verstehe ich fast nichts davon, und getraue mir nicht eine Pflanze darinn zu finden. Sie sind Schuld daran! Sie haben mich im Unterricht über die 24ste Classe verwahrlost. Aber warum hab ich an den andern 23. so hartköpfig gelernt? Nicht wahr! Indessen fuhr mir doch so eine Layenfrage durch den Sinn: Warum hat man, da so viel an dem System gerüttelt, und in der 24 Classe gleichsam eine neue Welt geschaffen wird, warum hat man diese Classe, die gegen die andern zu einem monströsen Umfang anwächst, und die ungleichartigsten Pflanzen zusamen faßt, nicht schon lange ebenso, wie die Phaenogamisten, in mehrere Classen zerlegt, was vielleicht Linne schon gethan hätte, wenn er den Reichthum der Kryptogamisten ebenso wie der Phaenogamisten überschaut hätte. Ein vortrefflicher Wink! Sie werden ihn in Ihrer flora bad. benutzen, und sich einen allgemeinen Beifall erwerben. Bitte meinen Namen nicht dabei zu vergessen. Auf meine widerholte Frage, wegen den Fischen haben Sie mir abermal keine Antwort gegeben, und mich nun völlig überzeugt, daß Sies selber nicht wissen, und sich schämen den H. Präs, v. Schreber, ders Ihnen im Collegium einst wohl wird gesagt haben, noch einmal zu fragen. Ich brauchs iezt auch nimmer. Denn ich habe meinen Schülern — oha! — Zuhörern!! bereits gestanden, daß die Frage sehr difficil, und vielen sehr gelehrten Naturbeschreibern, wie z. B. Herrn Doktor Gmelin in Erlangen, selber zu schwer sey.

Doch Sie gähnen ob des Geredes und hörten lieber etwas Gutes von Hüningen und Kehl. Aber wie nennen Sies gut? So oder den andern Weg? Den Erfolg von der Hüninger Geschichte wissen Sie vom 30. November. Vielleicht kann ich Ihnen noch mit dem Detail nach dienen, das ich z. Thl. aus Briefen eines Officirs weiß, der dabei war, daß das OAmt Lörrach den Branntewein lifern mußte, daß auf 3 Punkten angegriffen ward, daß auf ieder Colonne 200 Freiwillige mit Sturmleitern voraus, hinter ihnen eine Division, hinter ieder Division ein Bataillon anrückte, daß die Vorposten der Franzosen breviter zusamengehauen und die Brückenschanze in 3 Minuten erstürmt war, daß 5 Canonen und 7 Grenadierkompagnien drinn angetroffen wurden, wovon die ersten vernagelt, die letztern niedergemacht worden, daß man sich aber gegen die Insel die 12 Canonen und 2000 Mann enthielt, nicht halten konnte, sondern mit einem Verlust von circa 1000 M.[ann] tod und blessirten die Schanze wider verlassen muste. Nun soll, sagt man, mit Hülfe der Andern ein zweiter Sturm geschehen.

Von Kehl weiß ich nichts wichtiges und detaillirtes als daß die Kays. immer günstigere Vorschritte machen, — und bereits den sogenannten allmächtigen Kehlkopf (eine Insel) inne haben sollen, die vermutlich diesen Beynamen führt, weil von dort aus alles zu thun, wo nicht leicht, doch möglich ist. Wenigstens soll von dort aus die Communikation zwischen diesseits und ienseits gehemmt werden können. Lieuten. Walz, der als freiwilliger Officir zu einer von den Expeditionen sich anbot, ward in die Brust verwundet, ist aber ausser Gefahr und ligt hier bey seinem Vatter.

Daß wir beide am Zweibrückischen Hof wider einen neuen festen Fuß bekommen, werden Sie wohl wissen. — Aber was wird die Veränderung in Rußland für Folgen haben? Dank soll der Eismann haben, wenn er so oder anderst zu einem baldigen guten Frieden, und mir zu dem großen Vergnügen verhilft, Sie bald wider daheim zu haben.

Wie schlagts denn den Altdorfer Professoren in Erlangen zu, lieber Doktor! Sie werden doch bereits alle da seyn. Lesen sie gut und fleißig? Ist das Nürnberger Zeughaus auch schon nach Potsdam abgeführt? Und schmeken euerm lieben König die Nürnberger Lebkuchen wohl?

Noch ein Fund, der Ihnen das Heimgehn von Erlangen seiner Zeit erleichtern soll. Wie er schon die Ohren spizt — Meinen Sie ich habe eine Peloria anectaria, aphylla, acaulis entdeckt? Etwas bessers Lieber! Worauf Sie den Mund spitzen sollen. Köstlichen Steinwein hab ich an einer nahen Quelle entdeckt — und Est — meiner Seele! Estü! Gelt, wenn Er geschwinde wüßte wo? daß Er ihn unterwegs schon versuchen könnte. Aber nein — Er soll den ersten bei mir trinken. — Oder wenn Sie hübsch artli sind, und mir Awis geben, so komm ich Ihnen dorthin entgegen. Viel tausend herzliche Empfehlungen an die theure Frau Dokt. Assa! Adis!

Ihr    Hebel         

D. 8ten Dez. 1796.
 

Nach Versicherung des Lieut. Walz stehn die Kays. in d. Stadt Kehl schon in der Gegend des Amthauses, wo Hrath Strobel wohnte, die Franzosen in der alten sogenannten Festung, wo die Kirche, Kaserne, die Pfarrwohnung etc. war. Die Vorposten stehn fast neben einander.

 

 

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