zurück zur Briefübersicht

 

   

AN CARL CHRISTIAN GMELIN

   

D. 28sten Nov. [17]96        

Vielen Dank für Ihren l.[ieben] Brief, mein theurer H. Doktor! Da Sie iezt so brav sind, so sollen Sie auch wißen, wies um die N.[atur] G.[eschichte] steht. Ich lese wieder Zoologie — dismal nach einem ganz eigenen Plan der mich selber sehr amüsirt. Ich habe wo der Faden in der 24sten Claße der Pflanzen ausgeht, den Uebergang aus dem Pflanzenreich ins Thierreich gezeigt, und sogleich mit der Claße der Gewürme angefangen. Diesen folgten die Insekten. Die Natur fühlt gleichsam daß sie bei der Einrichtung die sie diesen Thieren gab, nirgends von den Gränzen des Pflanzenreichs wegkommt; sie trift also auf einmal eine Aenderung, theilt das Herz in Fächer, verschaft der Luft durch Athmen wirksamem Einfluß auf die animalischen Operationen. Das Blut färbt sich, die Säfte werden konsistenter, geistiger, — kompakter die festen Theile, der Körper bekommt ein inneres Gerüste von Knorpel oder Knochen. Rothblütige Thiere. Die einfache linienförmige Bildung der Schlangen ist die Grundidee, aus der die übrigen Gestalten sich bilden. Die Schlange schlüpft ins Waßer und wird zum Fisch, Erscheinung von Extremitäten in den Flosfedern. Der Fisch geht ans Land, die Flosen verwandeln sich in Füße, kriechende Amphibien. Das Herz theilt sich noch einmal, das Blut wird warm. Hier erscheinen zu erst die Vögel. Auf zwey Wegen macht sich die Natur den Uebergang zu den quadrupeden 1. aus dem Wasser Cetacea, Palmata, 2. aus der Luft, Chiroptera. Diesen folgen die Th. mit freyen Zehen. Die Zehen verwandeln sich in Hände. Affen. Noch ein Schritt und die Schöpfung vollendet sich in ihrem Meisterstück, dem Menschen. Aber wo soll ich die Thiere mit einfachen und gespaltenen Hufen einschieben? Statt mir zu antworten schütteln Sie d. Kopf und sagen: Das ist Spielwerk, wobei die Gründlichkeit des Systems verlohren geht? Lieber Herr, da sehn Sie zu! Warum haben Sie Ihr Geschäft einem Libertiner anvertraut, der in Ihr Gewissen, auf Ihre Gefahr, und an Ihren Leuten pfuschen kann, wie er will? Doch verliere ich dabey das System nie aus d. Augen und werde am Ende schon ein Fachwerk an die Tafel krizeln, wo alles zerrissene und vereinzelte wider zu einem ganzen soll gebunden werden.

Meine letzten Nachrichten haben Sie nicht ganz beruhigt. Ich kann Sie versichern, daß Ihr H. SchwigerVatter keine Gewaltthätigkeit erlitten hat. D. Pf.[arrer] in Kandern auch nicht. Von Mappach weiß ich nichts. Trost genug! Die Geplünderten sind alle bekannt, denn sie haben laut genug geschrien.

Bey Kehl und Hüningen stehts noch am alten. Vorige Woche war der Marggr. in Offenburg, wo er mit ausnehmender Achtung empfangen und bewirthet wurde. Gestern den ersten Adv.[ent] ward das Jubiläum mit frommer Sonntagsstille gefeiert, wie es einem unglücklichen Land zimt. Morgen geht der Marggr. etc. wieder fort. Schrickel war nicht hier.

Levinus Lemmius hab ich nicht, kenns auch nicht. Ists gut, was Sie beurtheilen können, und wohlfeilen Preises, so nehmen Sies, wenn Sies haben können. Eine Bibel ohne Punkte habe ich auch nicht. Aber was damit machen lieber Gott? Ich bin zufriden, daß ich die Bibel mit Punkten lesen kann. Denn ein hebräisches Wort ohne Punkte, sehn Sie! Das ist auf und nieder wie eine Pflanze ohne Staubfäden.

Die Curatoren des thörichten H. Mauritii sind Ihr Hausherr Kaufmann und Sekretair Göhring, die ihm deswegen kein Geld schicken noch schicken können, weil der iunge Herr, der seit Ostern auf Universitäten ist, noch keine Sylbe weder an sie noch seine Verwandten geschrieben hat.

Ich empfehle Ihrer Freundschaft den iungen H. Preuschen. Wie es scheint hat er in Marburg einen guten Weg eingeschlagen. Sein H. Vatter hat in meiner Jugend so viel an mir gethan, daß ich Ihnen für alle Freundschaft die Sie ihm erweisen, dankbar seyn werde.

Ich sehne mich herzlich theurer Freund Sie und Ihre edle Gattinn wider zu sehen, und frohe Abende bei Ihnen zuzubringen. Kommen Sie bald, eh' ich gehe. Mich gelüstet täglich mehr nach einer guten Pfarrey. Ich habe im Oberland einige Pflanzen gesehen, die mir noch fehlen, Seit dem hab ich keine Ruhe mehr hier. Muß denn absolut Friden seyn eh' Sie kommen? Können Sie nicht mit folgen, wenn alles kommt? Aber gelt heimliche Seele! Sie kommen gar nicht mehr? Führen Sie mich nicht an. Ich habe allen, die Sie nicht gern vermissen für Ihre Rückkehr gut gesagt. Ihr Schwager ist brav und lieb, und seiner braven edlen Schwester werth! Adio!

J. P. HL          
 

Einen schönen lächelnden Gruß von Heiter an die Frau D. u. H. D. und ich soll Ihnen sagen, daß er all bott no thet sehne in de Zimmer, es sey alles in der Ordning.

 

 

  zurück zur Briefübersicht


 

nach oben