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AN CARL CHRISTIAN GMELIN

   

d. 7ten Juni 1796       

Ich bitte Sie, theuerster Herr Doktor, mir wieder zwey Exemplare von Hofmans Flora zu schicken, das eine hat H. Hofgärtner bey mir bestellt, das andre einer meiner Zuhörer Namens Dupre. Ich würde Ihnen diese Mühe nicht abermals zu muthen, wenn ich nicht bei Gelegenheit des nemlichen Büchleins schon mit Verdruß erfahren hätte, wie wenig man sich auf die benachbarten Buchhändler verlassen kann. Claß in Heilbronn, bei dem ich sonst meine meisten Bestellungen mache, würde mirs unfehlbar bis Michaelis, Schneider bis Fasnacht, und Maklott Gott weiß, wenn? verschaffen. Aber was nuzts mehr, wenn der Herbstwind über die Stoppeln weht? wenigstens für diesen Jahrgang nimmer viel. H. Hofgärtner wünschts zwar nur zu haben,um es zu haben. Aber der Student, um es während seines Cursus zu benützen. Aus dem nemlichen Grunde wünsche ich auch, wenn sich nicht eine andere geschwinde Gelegenheit zeigt, daß Sie mirs mit der Post, so bald möglich zu senden möchten. Für das Porto mögen die Besteller sorgen, und werden noch immer dabei mehr profitiren als wenn ichs durch einen Buchhändler bestellte, wie ich ebenfalls aus der Erfahrung weiß.

Mit dieser Bitte verbinde ich unmittelbar eine andere, daß Sie mich doch in den Stand setzen mögen, meine Schulden bei Ihnen abzutragen, die alten und die neuen. Den Preis der Flora wünsche ich besonders noch aus einem andern Grund zu wißen. Eh ich Sie voriges Jahr um Besorgung eines Exemplars gebetten hatte, hatte ich ein solches eben bei Claß in Heilbronn bestellt. Und nur weil ichs von dort her nicht bekommen konnte, nahm ich meine Zuflucht zu Ihnen. Am Ende kam iener hinkende Bote auch noch nachgewackelt, und liferte mir die Flora mit einer Note 3 fl. 45 cr. besagend. Das deuchte mir ein theures opusculum zu seyn. Aber er versicherte mich, daß er keinen Kreutzer darauf geschlagen habe. Nun fällt mir doch ein Gedanken ein, ob sich die Palmische Buchhandlung nicht zugleich für den 2ten Theil habe bezahlen laßen. Sie werden mich, wenn Sie mir den Ladenpreis in loco melden, am besten in den Stand setzen, dis zu beurtheilen, und allenfalls den Buchhändler nur um die schuldige Nachliferung zu mahnen. In diesem Fall hätten Sie auch nicht nöthig, mir zu meinem ersten Theil den 2ten nachzuliefern, da mirs der Heilbronner verschaffen müßte. Die zwey neuen Exemplare schicken Sie mir natürlicher Weise complet.

Ich habe Sie, glaub ich schon einmal gebeten, doch weiß ichs nicht, was in den Charaktern der Euphorbien die Ausdrücke quin-quefida: bifida: dichotoma, u. dergleichen sagen wollen. Ich stelle mir wohl vor, wenn aus einem Punkt 5 Stiele aufsteigen, daß es eine umbella quinquefida sey, und wenn an einem solchen Stiel wieder 3 Stielchen ausgehn, daß es dann eine umb. quinquefida: trifida, oder bey zweyen eine bifida sey. Aber was alsdann noch eine umbella dichotoma seyn soll, kann ich nicht ins reine bringen, ob ich gleich verstehe, was an sich dichotoma sagen wolle; Sie haben ia einmal die Figur im Examen an die Tafel gezeichnet. Ferner wünsche ich von Ihnen zu hören ob ich bey dem generischen Charakter einiger Diadelphisten die Zeichen etc. recht erkläre. Ich stelle mir vor, daß da mit die zwey Labia des Kelchs gemeint seyen, und die Zahlen über und unter dem Strich, die Zähne oder Lappen des obern und unteren Labii anzeigen. Hab ich recht gerichtet?

Daß ich Sie schon ein mal gefragt habe, was im System der Fische die Brüche 1/12 etc. bedeuten, weiß ich gewiß. Vielleicht verstehn Sies selber nicht? — Wie? Was? — Na verzörn Er sich nicht! Sag Er's, wenn Ers weiß! — Wirklich möcht' ich Sie mit dieser boshaften Vermuthung nur bewegen, mir desto geschwinder Auskunft zu geben. Aber kehren Sie mir den Stiel nicht um: Sagen Sie mir nicht: Hätt Er aach was g'lernt, na so wüßt' Ers selber. — Sonst kehr ich den Stiel noch ein mal um, und sag meinen Zuhörern: Na, 's gibt hauchgstudirte Doktor, die wißens aach nit.

Na! und weiter — aß der Warmser wieder nacher Männern zurück awansirt, und der Erzherzig nacher Mainz, meschummes was isch das? Ich waas net! Mer schmust so und so! Aß 20,000 Mann, die nacher Italches hebbe marschiren sollen, Cuntreordre bekumme hebbe, isch aach wahr! Sag Er, was maant Er! Werds Friede?

Daß die Franzosen bey Bonn über den Rhein gegangen und den Prinzen von Wirtemberg zurückgedrükt haben — soll aach war seyn.

Das dient alles um das Maas Ihrer Sünden voll, und das Strafgericht über Ihr Haupt desto schwerer zu machen, wenn Ihr Tag kommt. Lachen Sie nicht! Er dämmert schon. Wenigstens werden wir beyde, Ihr H. Schwager und ich, nicht müde „zu predigen ein gnädigs Jahr des Herrn, und einen Tag der Rache unsers Gottes, zu trösten alle Traurige", kraft unsers Amts. Aber am Tisch ist noch Waffenstillstand. Die ganze linke Seite izt demokratisch, Mameluken die den Mantel nach dem Wind hängen.

d. 9ten. Mit dem Zug der Kaiserlichen und ihren Dispositionen klärt sichs heute schon auf. Aber der Schauplatz ist zu entfernt; die Zeitungen werden meinen Nachrichten schon zuvorkommen — Gestern war hier ein Tag, wie zu den Zeiten Noe, da man die Arche zurüstete, lustig und froh. Um den Mittag ließ Hofr. Böckman einen Luftballon steigen dem Geburtstag des Prinzen Karls zu Ehren. Um 4 Uhr bis 6. unterhielt eine Gesellschaft so genannter englischer Reuter den Hof und das Publikum mit ihren Künsten von 6 — 10. gab der Adel Schauspiel. Nach 10. stieg noch ein erleuchteter Ballon; Aber zwischen dem Steigen des ersten Ballons und dem Reuterspiel meldete die Zeitung, daß die Fr[anzosen] bei Bonn mit einer neuen Colonne über den Rhein gekommen, und Prinz Ferdinand, oder wie heißt er? geschlagen sey?

Abermal ein Brief voll geplaudert! Ich darf Ihnen wohl gestehn, daß es unvermerkt, und ohne meine Absicht geschehen ist. Denn eigentlich hatt ich mir vorgenommen, nach Ihrem Beispiel, ebenfalls ein wenig rar zu thun mit meiner Correspondenz. Aber was kann ich dafür, daß ich mich so gern mit Ihnen unterhalte. Doch will ich schauen, ob ich mirs abgewinnen kann, Sie auch einmal ein halb Jahr oder etwas in Ruhe zu laßen. Für lange lange soll also dismal der freundliche Gruß an Ihre theuerste Gattinn, und die Versicherung gelten, daß ich einen Weg wie den andern sey

Ihr redlicher      Fr. Hebel         

 

 

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