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AN CHRISTINE GMELIN |
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d. 23sten Febr 1796 Sind Sie wirklich böse? Oder ist Ihr Brief etwa irgendwo zur Contrebande gemacht worden. Hofentlich nicht! Oder kommen Sie unverhoft etwa selber. Ich hätte Sie dabei haben mögen, wie wir heute ins Kabinett kamen, und einen Glaskasten mit inländischen Nachtschmetterlingen, den mittleren linker Hand, zerschmettert in 1000 Stücke auf dem Boden fanden, und wie mir Heiter 7/4 Stunden lang demonstrirte 1. wie es nicht könne zugegangen seyn, 2. wie es könne zugegangen seyn, 3. wie es denn doch wieder nicht könne zugegangen sein. Eigentlich aber hat er den Erbprinzen im Verdacht. Ob Sie wirklich böse seyen, hab' ich Sie gefragt. Denn es könnte noch geholfen werden. Ich hab einen Tröster aufgegabelt, der in der badischen Topographie ein wenig vorgearbeitet, und die verwachsensten Wege ausgehauen hat. Kommts Ihnen noch recht und dienlich, so kann ich Ihnen eine kleine Skizze daraus zusamen setzen. Aber lieber Schatz, nicht vor dem Examen. Wir schaffen über Hals und Kopf. Es muß bis dorthin noch ausgezogen werden in die neue Kronengaße, es muß noch geprediget, muß zum Examen vorbereitet, muß die ganze Zoologie die ich heute mit dem Chaos glüklich, Gott sey Dank geendiget habe, repetirt werden. Ihnen mag ich wohl gestehen, daß bisweilen unter den Mammalien und Vögeln, und besonders unter den Fischen schon Chaos vorkam, aber den Zuhörern habs ich verborgen, so gut ich konnte. — Hat die theure Frau Doktorinn denn noch immer das Heimweh nicht? Kein Fünkchen Sehnsucht nach Rheinluft? Ich muß gestehn, daß ich um mich mit dem angenehmen Gedanken Ihrer Heimkehr zu laben, immer mehr auf dieses als auf den Frieden gerechnet habe. Aber diesen Sommer kommen Sie doch? Es haben sich alle Anemonen und Veroniken und Draben etc. verschworen keine Knospe auf zu thun, biß Sie wieder selber da seyen. Aber ich hab sie getröstet, daß Sie gewiß kommen würden, selbst, wenns nicht Fride würde. Denn entweder wirds Friede sagt ich ihnen, oder nicht. Wirds, so kommt er gewiß, wirds nicht, so ist die Hofnung wieder so sehr ins weite und Ungewisse hinausgeschoben, daß ers nicht auswarten kann. Hierauf haben sich die weißen Anemonen auf dem Thurnberg und die epheublättrigen Veroniken am Bächlein wo sich Pfalz und Baden scheidet, einmüthig entschlossen auf ihre gerechte Zeit, ihre Jugendlichen Busen zu entfalten, um Sie in festlicher Frühlings Pracht zu bewillkommen, wenn Sie vorbei fahren. Tausend Complimente! Ihr Hebel Ob ich auch einen Gruß an Sie „nei g'schrieba" hebb, fragt mich Heiter.
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Draben: Hungerblümchen.
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