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AN GUSTAVE FECHT

   

[Mitte November 1825]      

Sie lassen mir, 1. Freundinn, lange Zeit, alte Schulden im Briefschreiben ein wenig auszugleichen, und ich will die Gelegenheit nicht unbenuzt lassen. Mögen Sie aber nur gesund seyn und mit mir nicht hö, so bin ich schon zufrieden. Aber was ich Ihnen bei Gelegenheit des Todes des K.-Raths Doll schrieb, daß nach und nach die Zahl der Freunde so nahe zusammengeht, ist so wahr, daß ich in iener Gegend niemand mehr habe, bei dem ich mich nach Ihnen erkundigen könnte, und von manchem lese ich im Wochenblättlein erst, daß er hier war, wenn er schon wieder fort ist. Das gute daran ist, daß man sich alles noch im alten Zustand denken kann, wenn man nichts andres weiß. Pfeffel rechnete es zu dem Glück seiner Blindheit, daß die Welt in seinem Alter noch unverwischt so vor ihm stand, wie er sie in seiner Jugend gesehen hatte. Etwas davon habe ich auch schon bei sehenden Augen erfahren. In Schopfheim sah ich einmal die Tochter mit eigenem Kind auf den Armen noch für die Mutter an, weil ich diese seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Etwas davon kann man sich auch selber so machen. So möchte ich z. B. nie mehr in das Pfarrhaus in Weil gehen, seit dort alles anderst ist. Nein, dort muß mir alles bleiben, wie es war, mit allen freundlichen Bewohnern darinn. Dort lebt mir Günttert noch, so lange ich keinen ändern sehe. Deswegen beschaue ich auch keinen Todten mehr, der mir im Leben lieb war.

Noch bin ich um ein kennbares gesunder, als ich vor meiner letzten kleinen Krankheit war — etwas melancolisch, das bringen die Jahreszeit und die Jahre selbst mit, und die Verhältnisse, die ich nicht ändern kann. Ich habe bisher im Spaß und Muthwillen in die Frankfurter Lotterie gesezt. Aber bald mache ich Ernst. Mit 100.000 Gulden wäre mir zu helfen. Aber nicht gesagt, als wenn ich Schulden hätte!

Das neidische Papir heißt mich schließen.

Mit Ergebenheit und Liebe Ihr    Hbl.     

 

 

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