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AN GUSTAVE FECHT

   

Theuerste Freundinn!                           Den 27. Jen[ner 1824] abends 7—8 Uhr.

Ich will Ihnen lieber einen kurzen Brief schreiben, als länger säumen. Ich meine immer, ich müste eine recht gute freie Stunde \ haben, wo mich sonst nichts treibt und drückt, wenn ich an Sie schreiben soll, und diese Stunden kommen so selten. Ich werde noch ganz bankrott mit meiner Zeit. Sonst bin ich seit einigen Wochen ungewöhnlich heiter und gottlob ziemlich wohl. Aber wie beklage ich es, theuerste Freundinn, daß Ihre Gesundheit neuerdings so sehr angegriffen ist, und die Heiterkeit Ihres freundlichen Geistes so sehr dadurch niedergedrückt ist. Gott wolle Ihnen bald wieder bessere Zeit schenken. Doch hat Ihnen Ihr braves Söhnlein Herr Lepper eine Freude gemacht, an der ich großen Antheil nehme.

Sie haben die bib[lischen] Geschichten recht gut ausgetheilt. Es war immer mein Wunsch und mein Bestreben, daß sie auch für Erwachsene gut seyn, und den Kindern nicht nur in der Schule sondern auch so lange sie leben werth bleiben mögen. Ihre Austheilung an Herrn Stephan u.s.w. gibt mir das Zeugniß, daß ich nach Ihrem Urtheil meinen Wunsch nicht verfehlt habe. Ich bin Ihnen auch noch ein Gutachten wegen Ihres Leseinstituts schuldig. Ich halte iust nicht viel auf die Belesenheit der Mädchen bürgerlichen und gemeinen Standes im Allgemeinen. Sie werden leicht dadurch aus ihrer Sphäre und Bestimmung herausgezogen, und mehr eitel als solid. Aber Sie werden die ihrigen schon kennen, und vor ienen Nachtheilen der Leserei zu bewahren wissen. Ich weiß Ihnen jedoch keine Schriften vorzuschlagen, da ich solche nicht kenne und noch weniger lese. Doch halte ich die Schriften von Laroche, ob ich gleich das nemliche von ihm bekennen muß, für gut.

Heute war der Herr Johann Michael von Lörrach bei mir, und vor einigen Tagen Doktor Beck von Heidelberg. Da war auch von Weil die Rede und von der alten Zeit. Noch immer wird das Andenken an unsere Entschlafenen erneuert von allen, die sie kannten und denen sie im Leben werth waren, besonders von der guten alten Staatsräthin, so oft sie mich sieht.

Gottlob, das Brieflein hat sich doch ein wenig gestreckt. Ich möchte gern noch fortfahren. Aber Papir und Zeit naht sich dem Ende. Leben Sie wohl, liebe Freundinn.

Mit aufrichtiger Liebe Ihr Freund       Hbl.            

 

 

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