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AN GUSTAVE FECHT [ UND KAROLINE GÜNTTERT ] |
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Theuerste Freundinnen! Ich bedarf Ihre große Nachsicht, und doch sollt ich Sie fast bitten, es ein wenig schärfer mit mir zu nehmen, und mir bisweilen zu schreiben, wenn ich es zu lang anstehn lasse, das sey keine Ordnung, es sey nicht möglich, daß ich so gar viel zu arbeiten habe. Es ist wirklich so liebe Seelen. Ein Stündlein in 8 Tagen sollte man wohl herausbringen können. Aber es ist eine böse Sache, daß man es bequemer findet, das was man thun sollte, sogar was man recht ernstlich thun will, doch lieber morgen zu thun als heute. Bei Ihnen liebe Freundinn G. habe ich mich zwiefach, zehnfach zu entschuldigen, wegen dem Calenderlein. Sie schreiben mir Sie seyen vergeßlich. Da kann ich mich freilich änderst rühmen. Denn ich kann mich bisweilen an Sachen erinnern, die gar nicht geschehen sind. Ich glaubte wirklich ich hätte Ihnen das Büchlein schon lange geschickt. Es geht mir oft so, wenn ich mir etwas recht ernsthaft vornehme, daß ich nach einiger Zeit meine, ich habe es wirklich gethan. Zum Unglück ist mir das Büchlein auch aus den Augen gekommen, und ich weiß es noch wirklich nicht zu finden. Aber es hat nichts zu sagen. Ich schicke Ihnen ein anderes. Die Frau Pfarrerinn von Binzen habe ich nicht gesehen. Auch war ich einige Tage nicht hier. Ich war im Bühler Thal aber in zahlreicher Gesellschaft. Sonst hätte ich Ihnen von dort aus geschrieben, wo ich so oft an Sie dachte und an unsre theuren Entschlafenen. Ich sehne mich oft auch nach dem Frieden, der ihnen zu Theil geworden ist, nach dem Landtag im Himmel. Fecht und ich sehen uns selten. Er macht sich viel zu thun. Er lebt nur in der Constitution, und ich muß Ihnen wirklich die Antwort auf eine Frage wegen E[berhard] noch schuldig bleiben. Hitzig besucht mich öfters. Ihr Herr Vikarius hat an mich geschrieben. Ich bitte Sie, ihn von mir zu grüßen. In wenig Tagen werden Sie von mir erfahren, wer nach Weil als Pfarrer kommt. Es ist zwar gut warthen. Ich mußte heute früh um 9 Uhr an diesem Brief abbrechen. Bis iezt 4 Uhr gab es unaufhörlich Besuche, Aufwartungen, Anfragen, kleine Expeditionen. Bis 23. Juli ziehe ich aus. Es ist gut bisweilen, daß einen die Leute nicht gleich wiederfinden. Aber iezt muß ich ganz abbrechen. Leben Sie wohl, theuerste Freundinnen. Herzlich Ihr Fr. Hbl. D. 2ten Juni [1822]. Es ist ganz entsetzlich heiß. Wenn ich nur auch eigene Reben hätte.
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