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AN GUSTAVE FECHT

   

Den 23. M[ai] [18]12 N. 1/2 4      

Ich wünsche, liebe Freunde, daß es bei Ihnen insgesammt gut stehen möge. Es ist mir einiger Trost, daß ich keine Nachrichten bekomme, denn ich schließe daraus daß Sie mir nichts wichtiges und neues zu schreiben haben, daß es mit der Genesung der Frau Caroline gut fortgeht. Gott stärke und befestige Ihre Kräfte, liebe Frau Pfarrerinn. Warscheinlich sind Sie iezt schon wieder den ganzen Tag auf, nemlich so, wie wirs gewohnt sind, und einander verstehn, Morgens etwas spät auf, Abends etwas früh ins Bett. Vielleicht dürfen Sie auch schon in den Garten gehn, der Ihnen Zerstreuung und Vergnügen macht. Ich bin gottlob ordentlich gesund, ausgenommen daß meine stumpfe Schläfrigkeit wieder überhand nimmt, bei der ich mich ganz wohl befände wenn ich mir erlauben wollte, sie zu befridigen. Doch macht der heutige Tag eine Ausnahme. Ich bin heute ganz munter.

Den 31sten — und wenn ichs seitdem geblieben wäre, so hätt ich dieses angefangene Brieflein nicht so lange ligen lassen. Ich bekam im Anfang der Woche öftere Anfälle von leichtem Schwindel. Aber es hat nichts zu sagen. Ich hatte nicht bange dabey. Ich hatte es auch vor einem Jahre so, und wüste, daß es höchstens 2 Tage dauert. Indessen war ich die ganze Woche ein wenig übel disponirt zur Arbeit. — Unterdessen empfieng ich das Schreiben von H. Pf. und J. G. Wegen der Anliegen des C.[arl] W.[ilhelm] habe ich mich in der Bußiägerischen Behausung erkundigt. Man sagte mir, daß man nachsuchen würde. Ich habe aber noch keine Nachricht.

Ich bin sehr begierig, was etwa auf den Julius geschehen wird. Meine Meinung wäre iezt, Sie sezten eine sichere Person ins Haus, und giengen alle drei in ein Bad, aber in ein rechtes, nicht nach Riedlingen, wohin man eigentlich nur Leute schicken sollte, denen es daheim zu wohl ist. Eine andere Luft, schöne Gegend, Umgang und Zerstreuung, Bequemlichkeit usw. wirken so viel auf die Gesundheit und Erholung als das Wasser, zumal ein so schlechtes wie das Riedlinger, und die Fr. Pf. und J. G. hätten's so nöthig, und dem H. Pf. würde es auch nichts schaden.

Griesbach und Petersthal ligen sehr schön. In Griesbach finden wir viel vornehme Welt und können ihr nicht ausweichen, weil dort alles eng ist. In Petersthal ist man bequemer, in gemischter Gesellschaft, ungenirter. In der Hub, 4 Stunden von Cork,
5 von Rastadt, war ich noch nie obgleich ein guter Freund vom Eigenthümer. Aber Jedermann ist bezaubert von der Gegend und den neuen Einrichtungen, die über
100 000 fl. kosten. Dort treffen wir halb Straßburg an.

Von Baden schreibe ich nichts, wo es am interessantesten wäre und vielleicht diesen Sommer am angenehmsten, weil das Gedränge nicht so groß seyn wird, wie sonst. Indessen finden wir Leute genug und alle Abende Theater und große Bank womit ich Sie zwar nicht reitzen will. Die Societät der Banquiers hat iezt einen Accord mit der Herrschaft auf 10 Jahre geschlossen. Sie bezahlen für das Privilegium Jährlich eine Abgabe von 17 000 fl. für Baden, 100 Louis für die Hub, verwenden über 25 000 fl. auf die Einrichtung des sogenannten Conversationshauses und geben den Wirthen, wo sonst das Spiel gehalten wurde, eine Schadloshaltung von 5000 Gulden. Dahin und da weg. Wer weiß, vielleicht bekommen Sie doch Lust einige Wochen an einem Ort zu leben, wo man so große Unternehmungen machen kann. Auf alle Fälle wird Baden in der Vergleichung mit Riedlingen gewinnen, freilich nicht in Ansehung der Wolfeilheit. Doch ists nicht teuer nach der Proportion dessen, was man hat. In den besten Wirtshäusern täglich der Mittagstisch ohne Wein 1 fl., Nachtessen 48 kr., Logis 1 fl. — in den mittelmäßigen ebenso viel in die schlechten gehn wir nit. Ich entschließe mich zu nichts, biß ich weiß, was Sie thun. Ich geh auch mit nach Deinach, nach Wildbad, nach Baden in der Schweitz und besuche den Holliger, selbst nach Riedlingen, wenn's nicht anderst seyn kann. In Riedlingen errichte ich alsdann eine Spielbank und führe überhaupt den Badner Ton dort ein. Die Vögte müssen Marschälle werden, die Vögtinnen Herzoginnen und Marquisen, die Schulmeister Domherrn. Der Johannesli von Blansingen muß den König von Baiern vorstellen, der dis Jahr auch wieder nach Baden kommt. Alle Sonntage strömt die vornehme Welt herbei von Holzen, Hammerstein, Nebenau, Hertingen, Huttingen, Manchen, Feuerbach. Es wird noth haben an Platz. Abends anstatt in die Comödie zu gehen, lesen wir eine. Es wird sich noch viel für Riedlingen thun lassen, so viel auch schon scheint geschehen zu seyn, und wir brauchen den Creisdirektor, dem Herr von Baumbach eine Ehrensäule von kararischem Marmor will errichten lassen, nicht dazu. Ich hoffe, Sie werden allmählich wieder empfänglich sein für unschuldigen Spaß und heitere Laune. Trübsinn nagt am Leben, Heiterkeit hilft ihm auf und mit der frommen Liebe zu denen, die allem Leid entronnen sind, vertragt sich wohl ein heiterer Sinn. Ich bin mit herzlicher Liebe

Ihr aufr. Fr.     H.         

 

 

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