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AN GUSTAVE FECHT UND KAROLINE GÜNTTERT

   

26. Aug. [1812] 12 Uhr     

Aber bin ich nicht fromm und haben Sie mich nicht schon recht gut gewöhnt? Ich sehne mich schon so lange nach Nachrichten von Weil und sage kein Wort, sondern bin still und sage nichts. Wenn ich nur noch gevätterln könnte, aber es will mir nimmer anstehen, so schrieb' ich alle Woche einen Brief an mich, als wenn ihn die Jgfr. G. oder die Frau Vögtinn geschrieben hätte, und schrieb' auf die Adresse: an Herrn K. R. Hebel in Karlsruhe. Hernach gehends am Sonntag brich ich ihn wieder auf und lese ihn und schrieb' die Antwort. Sie meinen, ich wär's nicht im Stand? O, ich habe ehemals doch öfters ein Kartenspiel in kleine Häuflein geteilt und mir zu dem einen davon iemand gedacht, so z. B. Jungfer Gustave, und mit Ihnen aus dem Land gespielt, hab mich auch wohl bisweilen heimlich betrogen, wenn es angieng, und Ihnen einen Stich gelassen, der von rechtswegen mein gewesen wäre, damit Sie es gewinnen sollten. Ich hatte immer Profit dabei, wenn ich verspielte, und es war nicht bloß Galanterie, denn weil ich Ihnen nie zahlen durfte (es gieng allemal um einen Kreuzer), so trank ich ein Schöpplein Bier oder zwey dafür, je nachdem und dachte: das schenkt mir die I. G.

Aber damit ich mir durch meine Geduld nicht gar zuviel schade, so will ich doch wieder einmal anpöpperlen:

„Hosche ho! Isch niemes do?"
„Numme inne! Was war ich lieb?"
„Wenn mer die Frau Vögtinn oder die
I. G. ne Briefle schrieb."
„Chömet e andermol. Mer hen iezt nit der Zit!"
„Numme au ne halbs, mei Weg
isch gar grüseli wit.
Numme au ne chleis,
numme au ne paar Wörtli."
„Wartet denn, i schrib ich eis.
Sitzet dort an sei örtli."

In der Tat, ich wünsche sehr zu wissen, wie Sie, liebe Frau Pfarrerinn, und der Herr Tobias und die I. G. sich befinden. Hoffentlich wird Ihnen beiden das Bad in Pisa wohl bekommen sein. Sie könnten mir nichts erfreulicheres schreiben.

Sie haben doch, l. I. G., meine beiden Briefe bekommen und sind nicht hö? Krank sind Sie nicht, sonst hätte mir es der Herr Pfarrer geschrieben. In Tüllingen waren Sie auch nicht für den Empfang des G.[roß] H.[erzogs] beschäftigt. Der G.-H. soll hier gesagt haben, er wolle unvermuthet in Lörrach einfallen, damit der Herr Pfarrer von Tüllingen kein Carmen machen könne. Man spricht schon stark von der Niederkunft der
G.-Herzoginn und sind schon alle Vorbereitungen getroffen.

Iezt noch ein Wörtlein, das wollen wir nicht auf den Boden fallen lassen. Wer dem Glück kein Handgeld gibt, bei dem nimmt's keine Dienste. Bekanntlich wird der Goldbrunnen im Rösernthal, Kanton Basel, Bezirk Liestal, 24.000 Franken wert ausgespielt, das Los zu 6 Franken. Ein Los hab ich schon, aber ich möcht auch noch gerne eins mit Ihnen haben in die Hälfte und lieber das Gut gemeinschaftlich gewinnen als allein. Also wollen wir denn miteinander dupfen, wenn's Ihnen recht ist, nicht wahr? Und Sie kaufen das Los droben auf beiderseitige Rechnung, die I. G. soll das Los ziehen und die Frau Vögtinn soll beten und der Herr Vogt soll's besieben mit Sympathie. Oder ich will auch nur ein Vs oder ein K daran nehmen, wie Sie wollen. Seil isch mer ei tue! Wir setzen alsdann ei[nen Pächter] drauf und gehn im Sommer auf's Land und auf uns're Güter, sind wie die gnädgen Herrn, wie der Landvogt Fäsch und der Herr Gemuseus oder der Herr Kandidat vor dem Riehener Thor. Es läßt sich nicht spassen — Handumkehr wird's eben doch so seyn und nichts anders.

Herzlich Ihr Freund      Hebel    

 

 

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gevätterln: spielen.
hö: böse.
Niederkunft der G.-Herzoginn: Großherzogin Stephanie
wurde am
29. September 1812 von einem Knaben
entbunden, der jedoch nur bis zum 16. Oktober lebte.
seil isch mer ei tue: das ist mir einerlei.
Kandidat vor dem Riehener Thor: Theodor Falkeisen.

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