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AN GUSTAVE FECHT

   

Stadt Baden, in Baden-Baden im Bad, 20. Jul. [1812] Vormitt.   

Aber iezt l. F. wollen wir eine recht fläthige Badkorrespondenz miteinander anfangen, denn hoffentlich sind sie iez auch in Ihrem Pisa, und ich wünsche, daß es Ihnen dort
so gut gefallen möge, und ergehen möge, als mir hier.

Gestern Vormittag kam ich hier an. Mein alter Hauspatron, Schneider Seiler, hatte mir ein Stüblein aufgehoben, wo ich Ihnen iez schreibe. Es war ein großes Glück und eine große Gefälligkeit. Denn es war gestern fast kein Platz mehr zu haben, und viele Leute waren noch am Abend in Verlegenheit, wo sie schlafen werden. Anfänglich schien es nicht, daß es sehr lebhaft hier werden würde. Aber auf einmal in voriger Woche strömte es von allen Seiten herbei, und an den Sonntagen kommen natürlich viele von
1 bis 8 Stunden weit her, von denen die entfernteren über nacht bleiben. Es speisten gestern an der Tafel im Sahnen 100, in der Sonne 150, in dem badischen Hof 180, gewiß ebensoviel im Hirsch, ohne die andern Wirthshäuser und viele Domestiken und gemeine Leute. Das gedrukte Verzeichniß der Badgäste und Fremden hat sich vom 14ten auf den 16ten um 143, vom 16ten auf den 18ten um 105 vermehrt. Man ist in einer ganz andern Welt, überal Glanz Wohlleben Müßiggang Geldspiel, Könige, Fürsten, Grafen, Professoren, Juden, Comödianten untereinander.

Arn Abend war ich am Ball, nur um das neue Conversationshaus und die Einrichtung dort zu sehen. Das ist alles, will nicht sagen fürstlich, aber parisrisch. In dem Tanzsaal hätte das ganze Riedlinger Bad mit Haus und Hof Platz, oder nicht einmal ganz. Aber der Saal hat doch 9 Lüsters ohne die Wandleuchter, die Spiegel sind so groß wie ein mittelmäßiger Kleiderkasten, alle Vorhänge von Seide. In 2 großen Zimmern wird gespielt. Alle Erfrischungen werden von Parisern bereitet. Deswegen versuchte ich fast alle. Alles ist sehr wohlfeil neben der Güte und feinen Bedienung. Die Großherzoginn war auch da. Sie hat neben dem Saal ein eigenes Zimmer. Ich blieb bis 12 Uhr, wachte noch bis 1 und stand doch um 7 Uhr auf, würde aber auch iezt am Tisch einschlafen, wenn ich nicht an Sie schriebe. Ich habe noch nicht gespielt. Wenn ich aber auf den 22ten in Frankfurt glücklich bin, so komme ich noch nach Riedlingen. Nach Kork und Straßburg komm ich nicht. Neue Bekanntschaften hab ich noch nicht gemacht. Eine Dame die im Haus logirt, gratulirte mir, daß es vor zwei Jahren nur ein blinder Lermen gewesen sey. Ich versicherte sie aber, es sei gar kein blinder Lermen gewesen, sondern sie sehe mich für den unechten an. Sie meinte den Rath Ruf. Daraus werden Sie sich überzeugen, daß ich unterdessen nicht mager geworden bin.

Nun schreiben Sie mir auch bald etwas von Riedlingen, und wie es Ihnen und Ihrer Schwester dort ergeht. Adressiren Sie aber Ihre Briefe nach Carlsruhe.

Ich bleibe nur diese Woche hier und möchte gern etwas liebes antreffen, wenn ich heimkomme. Viele Leute wenn sie fortgehen bestellen schon wieder Logis für das künftige Jahr. Ich bestelle 2 Zimmer für das Pfarrhaus v. Weil, will sehen, ob Sie midi in den Kosten stecken lassen. Meine besten Grüße immer

Ihr Freund    H.   

 

 

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in Ihrem Pisa: das kleine Bad Riedlingen bei Kandern.

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