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AN GUSTAVE FECHT |
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Den 25. [März] Nachm. 3 Uhr. [1812] Liebe Freundinn! Endlich komm ich zum Athem. Ich hatt dis Jahr das Examen ganz allein und examinirte alles selber. Es dauerte in allem hier 16 geschlagene Stunden. Als ich hier fertig war fuhr ich noch den nemlichen Abend nach Durlach, weil ichs dort den anderen Morgen um 7 Uhr schon wieder anfieng und bis i fortsezte. Hernach hatte ich hier noch einmal 4 Stunden in dem Seminarium dabey zu sein. Seit acht Tagen fertigte ich die Canzleigeschäfte rückständige Arbeiten und Correspondenzen. Gestern vormittag ward ich fertig. Nachmittag fieng ich an aufzuräumen. Ich räume alle Jahr 2 mal auf in den Ferien. In der Zwischenzeit bleibt fast alles ligen wo es der Zufall hinlegt, ausgenommen im Nothfall. Oft findet der Barbier auf 3 Tischen und 6 Sesseln den Fleck nicht, wo er die Schüssel hinstellen kann. Aber warum frag ich Sie nicht vor allen Dingen nach Ihrer Gesundheit, an der mir doch vor allem ligt, und von der Ihr lezter Brief so wenig tröstliches enthielt? Ich sprach mit Gmelin wegen Luftveränderung und Bädern. Aber er sagte, es laßt sich im allgemeinen nichts sagen, wenn man nicht selber mit den Leuten reden kann. Er fragte, ob iene überschickten Recepte noch gebraucht würden. Ich sagte: vermuthlich nein. Aber wenn sie auch gebraucht werden und helfen nicht, was hilft's? Er war aber nicht der Meinung, sagte Sie sollen's iezt verstärkt brauchen. 3 mal täglich statt 2 mal. Er weiß ein ganz neues und sicheres Beispiel, daß dieses Übel völlig dadurch gehoben worden. Reden Sie mit einem Arzt aber nur mit Einem, zu welchem Sie das beste Zutrauen haben, ob Baden oder die Hub oder das Murgbad in Rastadt, oder die Brunnen in Petersthal oder Griesbach für Sie rathsam seyen. Aber weil Sie doch auf alle Fälle hoffentlich nach Kork und Rastadt kommen, fragen Sie den Dr. Ludwig in K.[ork] oder ich bringe Ihnen einen von hier nach Rastadt. Ich glaubte nicht, daß warme Bäder für Sie wären, wenn Sie nicht wären nach Riedlingen gesprochen worden. Baden ist sehr stark und dort ist große Welt. Hub schwächer und der Aufenthalt ländlich. Rastadt sehr schwach, und der Aufenthalt für Sie häuslich und heimlich bei den Ihrigen. In Rastadt war ich nicht bey der JungferBas. Ich gieng unrasirt hinauf, wartete bey W(elper] auf den Barbier, bis fast die Taufe angieng, hernach gieng man zu Tisch und gleich nach Tisch fuhren wir fort. Es war mir sehr leid. Durch meine neue Lebensordnung hat sich mein Schlaf ganz regulirt. Ich schlafe nicht zu fest, wache nicht auf bis um 3 oder 4 Uhr, trinke ein wenig Wassermemmeli, schlafe augenblicklich wieder ein, und kann früh zur rechten Zeit aufstehn wenn ich will. Könnte ich doch diese Wohlthat der Natur mit Ihnen theilen, nur abwechselnd wachen für Sie. Aber unser Abendtisch hat mit diesem Monat schon wieder in einen Mittagstisch sich verwandelt, weil der Wirth seine Rechnung dabey nicht fand. Es macht mir mehr Mühe, wieder um 1 Uhr zu essen, als anfänglich um 4. Ich bleib auch nicht dabei. Ich probir es wenigstens, mittags nur eine Suppe zu essen, und dann ganz zu warten bis Nacht. Wie unartig, daß ich Ihnen die Iris so lange nicht schicke. Ich wartete. auf Gelegenheit. Am Samstag geb ich sie auf die Post. Unsere Truppen sind in Rostock und Stralsund. Der Hof geht auf einige Zeit nach Mannheim. Sind Sie bei diesem trübseligen Merz nicht ganz überschwemmt und vom Wiesenthale abgeschnitten? "Wie oft habe ich Ihrer Frau Mutter zu ihrer Genesung schöne Frühlingsblicke gewünscht! Möge sie derselben nicht bedurft haben, und schon lange wieder gesund und munter umher wandeln. Mit mir meints der Merz schon besser, macht mirs leicht von dem Jahresfieber des Heimwehs nach dem O.L. das mich sonst in den Osterferien befällt, verwahrt zu bleiben. In den andern Ferien befridige ich es, wenns gar arg wird. Aber die gute Frau Pfarrerinn! Wie sieht es denn in dem Garten aus? Was gilts, es ist noch kein Back-Häuelein drinn gewesen, nicht einmal eine Haue. Das Gebet wirds zwingen müssen, ins Stündlein gehn wir ia, heimlich fromm sind wir. Hofrath Jung erwartet die Wiederkehr des Herrn Christus und den Anfang des 1000 iährigen Reichs schon Anno 16. Es wäre mir lieb, wenn ichs erleben, und zusehen könnte, wie die heiligen Toten auferstehen. Aber Fein stellts auf 32 oder 36. Das ist noch lang, und der Herr Christus sagt: Von dem Tag und der Stunde weiß niemand. Das ist noch länger. Ich habe nicht heute an Sie schreiben sollen. Ich bin in einer gar dämischen Laune. Aber die andere Woche gehen schon meine Prüfungen bei den aufzunehmenden Schülern wieder an. Sehn Sie dises Brieflein an, als nicht geschrieben. Oder als Abschlag in Kupfermünze. Alle meine herzlichen Grüße, auch an die J. Bas. Gott gebe Ihnen gute Stunden und heitern Muth. Herzlich Ihr J. P. Hebel
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Wassermemmeli: Memmi bedeutet in der
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