zurück zur Briefübersicht |
|
||
AN GUSTAVE FECHT |
|||
9. Nov. [1811] Vorm. 9 Uhr Die Jungfer Hitzig von Eimeldingen, die von ihrer Schwester in Rippur zurückreist, bringt Ihnen, meine Beste, zwei Irisbüchlein und die Serviette. Den Dank für leztere lege ich hiermit selber ab. Die J. Hitzig war schon lang närsch, daß sie im Unterland blieb und gut that. Aber die J. Bas ist nicht närsch, daß sie im Oberland gut thut. Sie könnte iez wohl gar droben bleiben, bis ich auch wieder hinaufkomme im Sommer ane. Wir könnten darnach miteinander wieder heimfahren, ich und die Jungf. — die Jungfer Bas und ich. Den Gruß an sie will ich hier auch gleich anbringen, damit's gewiß geschieht. Als ich droben war und sah, daß Ihnen die Irisbüchlein so wohl gefallen, und daß Sie sie gerne noch den Winter behalten möchten, hatte ich's auf der Zunge, Sie zu bitten, ob Sie sie nicht ganz als Eigenthum von mir annehmen wollten. Aber ich dachte: Sie thut's nicht. Ich kenne Sie schon. Und man wird viel mehr beschämt, wenn einem ein Anbieten, als wenn einem ein Gesuch verschmäht wird. Gibt Gott Zeit, so gibt er auch Verstand. Es wäre wirklich unartig gewesen, wenn ich Ihnen die Büchlein hätte schenken wollen. Ist's nicht sinniger, daß ich sage: Wissen Sie was? sage ich, wir wollen sie als gemeinschaftliches Eigenthum miteinander haben, und weil sie nicht an zwey Orten zugleich seyn können, so bleiben sie iedesmal so lange da, wo sie sind, bis sie der andere Theil wieder braucht oder verlangt. Aber wenn ich sie wieder einmal brauche, muß zuerst Ihr Name drinn stehen. Iez dürfen Sie sie auch schon herzhafter einer guten Freundinn zum Lesen mittheilen, doch mit Vorsicht. Denn es sind ungezogene Läuflinge, die Ihnen viel Sorge machen werden. Einem davon gab ich einmal die Erlaubniß, die Frau Hofr. Böckmännin zu besuchen. Ein par Tage drauf traf ichs schon nahe am Durlacher Thor bei Madmois. Frommel an. In die Stadt nach Basel wollen wir keine geben. Mögen Sie wieder frei und doch erleichtert seyn in Ansehung Ihrer Schmerzen. Da Ihnen der Sommer so viel zu schaffen machte, so will ich hoffen, der Winter soll desto zuträglicher für Sie seyn und Ihnen allen wohl zuschlagen. Noch geht es mir ganz gut und erwünscht. Ich bin auch gar nicht mehr so sehr mit dem Schlafen geplagt. Ich kann schon um 6 Uhr munter seyn, wenn mans verlangt. Auch darf mich das Ührlein bisweilen wecken, wenn ihm in der einsamen Nacht die Zeit zu lang wird; gewöhnlich weckt es mich um 3 Uhr. Aber heute Vormittag (es ist jetzt 4 Uhr Abends) hatte ich's wieder gerade wie im Sommer. Gmelin kam zufällig zu mir und sagte: Meister, Ihr müßt wieder zu Eurer vorigen Lebensart zurückkehren. Ihr lebt mir seit einiger Zeit viel zu ordentlich. — Aber ich weiß den ... [10. Nov.] ... Schalk wieder in ihm zu wecken. Die Käslein sind iezt ganz vortreflich. Sie zerfließen, so reif sind sie, und riechen, o wie? Gestern Nachts sind 5 verspeist worden. Denn der Doktor kam richtig wieder, und brachte den Apotheker gleich mit. So gut werden wenig Patienten bedient. Ich schob eine Bout.[eille] Crenzacher unter. Aber sie merktens gleich, und sagten: nein, wir wollen beym andern bleiben, er ist besser. Wir haben bis nach 10 Uhr Studentenlieder gesungen, der Direktor im Lyceum selber. Wenn es hieß: „Es lebe der oder die auch hoch!", so nannte ich den Namen nicht, wußte aber wohl, wen ich meinte, und wem es galt. Der Curator der Universität in Freiburg, Herr von Ittner, gieng einmal mit einem Freund von hier, der droben war, nachts um 11 Uhr benebelt nach Haus, und sang auch. Unterwegs kam ihm eine Parthie iunger Leute, die auch heim giengen entgegen. Der Freund machte ihn darauf aufmerksam. Aber der Curator sagte: Es hat nichts zu sagen. Es sind meine Studenten. Sie kennen mich alle. Die meinigen durften uns auch hören, ob ich gleich eine böse Woche mit ihnen hatte. Sie wurden rebellisch gegen einen Professor, der etwas unklug gehandelt hatte. Es that mir sehr wehe, da ich seither durch Liebe und Klugheit die Ordnung erhalten und noch keinem ein böses Wort geben muste, iezt in einer fremden Sache durchfahren zu müssen. Aber einer von ihnen sagte daheim, es sey ihnen gar kurios worden, als ich sagte: Dismal noch und zum lezten Mal spricht der warnende Freund. Wenn ihr in einer halben Stunde nicht Ordre parirt, so läßt der Direktor die Schnur auf den Boden laufen, sagte ich. Thut was ihr wollt. Sie ließen es nicht darauf ankommen. Manchmal sagen sie zu andern Leuten, „er muß alles einmal auch mitgemacht haben, weil er alles sogleich merkt und weiß". Iezt ist mir all meine Aussicht verbaut. Sonst hatte ich zwar wohl Freude, in die Gärten zu schauen, wie im Frühiahr die Hüner Nachschau hielten, ob die Frauen auch ordentlich gegärtnet haben, und ob in jedem Geländ der rechte Samen lige, und wenn sie es mit dem Gesicht nicht recht erkennen konnten, so versuchten sie ihn lieber, biß sie es gewiß wüsten; oder wie die Sommervögel an den Zweiglein saßen und dann auf einmal davonflatterten, daß ich glauben sollte, sie seien fliegende Blumen. Im Frühling ist's eine wahre Freude. Da ist alles so neu, und frisch, und geht so rasch vorüber. Aber im Sommer mach ich mir schon nichts mehr daraus. Es ist sehr langweylig, den Äpfeln und Birnen zuzusehen, wie sie wachsen, und das Laub wird so unrein und rostig. Man sollte es alle Morgen bürsten, wenn man etwas nutz wäre. Im Winter ists gar nichts. Die Spatzen allein sind nicht hinreichend eine Gegend zu beleben, und ihr auf die Länge ein Interesse zu geben, deswegen ist es mir lieber im ganzen daß iezt Straßen an mir vorbeiziehn, und sind immer Leute darauf. Jenseits der Straßen stehn Häuser, und die Leute sehn zum Fenster hinaus, es sitzen Kinder vor dem Haus und gevätterln. Bald kommt iemand zur Thür hinaus, bald hinein. Oben kommt Rauch aus den Caminen. Wenn ein Gewitter kommt, so machen die Leute geschwind die Fenster zu. Bisweilen schnauft eine Luft zu mir herüber, wenn Caffe geröstet worden ist, oder wo Ciaviertöne darinn schwimmen, oder Menschenstimmen. [Schluß fehlt.]
|
|||
zurück zur Briefübersicht |
Jungfer Bas: Karoline Kißling. |