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AN KAROLINE MAGDALENE FECHT

   

CarlsRuhe, den 28. May 1809       

Sie sind insgesammt gegen sich selber etwas ungerecht, meine liebe und verehrte Frau Pfarrerinn, indem Sie mir das kleine Verdienst das ich mit meinen Bemühungen erwerben konnte, nach der Größe des Wertes anschlagen, den für Sie der Erfolg hatte. Die Gründe für die Befreyung Ihres Sohnes waren so klar, daß ich überzeugt bin ein kräftiges Schreiben von droben hätte das nemliche bewirkt, wenn Sie auch nicht so viele Verwandte und Ihnen sehr ergebene Bekannte hier hätten, die alle zu dem nemlichen würden bereit gewesen sein. Nein, meine verehrte Freundinn, lassen Sie sich über diese Sache ein ganz anderes Geständniß von mir ablegen. C. W. nahm seine erste Zuflucht in der Noth zu mir. Ich nahm mich seiner mit einer Liebe und Theilnahme an, die mich zwar nie reuen wird. Allein gerade diese Liebe und innere Aufforderung, die ich an mich selber machte alles für ihn zu thun, ließ mich völlig vergessen, daß er so nahe Verwandte hier hat die zu allem was ich that, ein größeres Recht hatten. An diese hätte ich ihn eigentlich anweisen und übergeben und ihnen bloß meine Mitwirkung zu seiner Rettung anbieten und leisten sollen, wenn sie derselben bedurft hätten. Daß ich anders gehandelt habe, könnten Sie und die Ihrigen mir verdenken, wenn Sie nicht viel zu gütig gegen midi, dächten. Es sieht ganz einer ungebetenen Dienstfertigkeit gleich und einem Bestreben sich wichtig zu machen und Dank verdienen zu wollen. So sehr ich weiß, daß Sie mich davon frey sprechen, so macht mir doch meine Unklugheit, bloß weil es eine war, unangenehme Empfindungen. Ich schäme midi vor Ihren Verwandten, die mich nicht eben so wie Sie beurtheilen werden, und meine Freude ist mir wieder völlig zernichtet. Ich bin sehr unglücklich, meine liebe Frau Pfarrerinn, daß ich nicht einmal das Recht habe, einen Unglücklichen, was Ihr Sohn in ienem Augenblick war zu retten.

Noch indiskreter war es auf meiner Seite, daß ich ihn in der nemlichen Uebereilung auch als meinen Gast in Anspruch nahm, zumal da ich ihn wegen verschiedenen Verhältnissen und Rücksichten in ein Wirthshaus einquartiren muste. Doch habe ich für das einige Entschuldigung. Denn ehe ihn das Militär von mir requirirte, hatte ich die Idee ihn bloß einen oder zwei Tage hier ausruhen zu lassen, ihn unterdessen umzugestalten und alsdann so unbemerkt und unbeschrien als möglich wieder fort und heim zu senden, über welchen Punkt ich wohl auf Ihre Billigung glaubte rechnen zu dürfen.

Sie auf dieses alles aufmerksam zu machen, wenn Sie auch nicht selbst viel früher die Sache aus dem nemlichen Gesichtspunkt sollten angesehen haben, hielt ich für Pflicht und Gerechtigkeit gegen Sie und es war erforderlich zu meiner eigenen Beruhigung. Und nun, meine Theuersten, lassen Sie insgesammt hiemit und für immer mich von dieser Sache das lezte Wort gesprochen haben und Gras darüber wachsen.

Gestern hatte ich das Vergnügen die Frau Burgvögtinn zu besuchen, die auf kurze Zeit wieder hier war. Ich traf die Frau G. R. Reinhardin bei ihr an und Sie waren in dem Andenken an Sie und vielfachen Erinnerungen, wiewohl unsichtbar, auch bei uns. Sie geht nun in das Wildbad und droht nach ihrer Zurückkunft sich nicht mehr hier aufzuhalten. Auch Herrn Bodmer entdeckte ich zufällig auf dem Caffehaus und sehe ihn nun dort alle Tage.

Meine herzlichen Grüße an alle. Loben Sie mir den C. W. dafür daß er mir so pünktlich Wort gehalten hat. Gott gebe Ihnen viel Trost und Freude. Ich bin mit unveränderlicher Hochachtung und Liebe

Ihr ergebenster Freund und Diener     J. P. Hebel      

 

 

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