KR d. 8ten May [180]9       

Heute, meine liebe Frau Pfarrerinn, ist Carl Wilhelm gesund und unverlezt hier angekommen. Er war Kriegsgefangener, sagte mir aber, daß er als badisches Landskind frey gegeben sei und wünschte nach Haus zu reisen. Ich empfal ihn einem hiesigen Wirth zu guter Verpflegung und bestellte ihn auf morgen zu mir um das weitere mit ihm zu besprechen. Bald aber suchte ihn ein hiesiger Feldwebel bey mir auf, mit dem Vermelden, daß er ihm zu dem Depot übergeben sey. Ich begab mich sogleich zu dem Offizier, dessen Namen mir von dem Feldwebel genannt wurde, und der ihm den C. W. übergeben hatte. Dieser sagte mir, es sey die Militärordre, daß alle Kriegsgefangenen Landeskinder, welche sich als solche melden, dem hiesigen Militär einverleibt werden, und blos in dieser Hinsicht von der Kriegsgefangenschaft frey seyen. Eine gänzliche Freylassung müßte ich bey dem Gouvernement nachsuchen, einsweilen werde er dem neu zu errichtenden Jägercorps zugetheilt. Dis glaubte ich Ihnen sogleich melden und Sie um Nachricht bitten zu müssen, was ich thun soll. Der Hauptmann, dem ich ihn einsweilen bestens empfolen habe, scheint ein sehr menschenfreundlicher Mann zu seyn, und sich für ihn zu interessiren. C. W. hat angegeben, daß er im östreichischen Dienst Feldwebel gewesen sey. Als solcher soll er nun nach des Hauptmanns Versicherung wieder angestellt werden, wenn er zeigt, daß er die Geschäfte verstehe, und dadurch beweise, daß er die Warheit geredet habe. Ich will wünschen daß es ihm gelinge. Mir äußerte er den Wunsch sich auf seinem Metier etabliren zu können, welches er unterdessen immer fortgeübt habe. Er sieht ziemlich gut, doch etwas mager aus, woran die Strapazen des Marsches wohl mögen Schuld seyn. Welchen Eindruck diese Nachrichten auch auf Sie machen mögen, so zweifle ich nicht, es werde Ihnen zu vieler Beruhigung dienen, daß Sie wenigstens von ihm wissen, daß er im Vaterlande ist, daß er in den mörderischen Gefechten unversehrt durchgekommen und von dem traurigen Zustand der Kriegsgefangenschaft erlöst ist. Die Zukunft steht in Gottes Hand. Ich erwarte baldige Nachricht von Ihnen, und werde alles, was Sie mir auftragen, gerne und treulich besorgen. Ich bin mit der innigsten Hochachtung und Liebe

Ihr ergebenster Diener und Freund      Hebel         

d. 9ten.         

Gestern als ich diesen Brief schrieb, war kein Posttag. Heute redete ich mit
H. Obrist v. Stockhorn, der die Erklärung des Hauptmanns bestättigte. Doch macht er Hoffnung, daß die Loslassung keine große Schwierigkeit finden würde. Es kommt darauf an, ob Sie sie wünschen, denn was anfangen alsdann? C. W. wünscht sie freilich sehr. Er grüßt Sie und die Seinigen (so wie ich auch) und bittet Sie darum. Heute, biß Abends 4 Uhr ist noch nicht nach ihm gefragt worden. Er sagt mir heute, Corporal sey er gewesen. Mit dem Feldwebel sey es ein Mißverstand.