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AN GUSTAVE FECHT UND KAROLINE GÜNTTERT

   

C.R. Dienstag, den 1. Aug. [1809]    

Gestern Abends 9 Uhr, meine Theuersten, bin ich glücklich hier angekommen. Nachdem ich mich in Efringen von Ihnen getrennt hatte, fiel mir der Abschied vom O. L. nimmer schwer. Aber der kühle Samstagmorgen und der schöne Rhein, die sanft herabfließenden Wellen brachten mich fast in Versuchung, meine Zusage wegen der Heimfahrth zu brechen, oder gar zu bereuen. Denn Reue ist doch immer von allem das schlimmste. Am Samstag 2 Uhr stieg ich in G[roß] Kerns in die Diligence, war früh um 6 Uhr in Straßburg, trank in Baldners Garten den Caffe, wohnte der Siegesfeyer im Münster bey, hörte mit boshafter Freude den bewußten Hirtenbrief von der Canzel ablesen, war nachmittag in Gravenstade, 2 St. wieder oberhalb Straßburg, fuhr auf der Ill spazieren. Die Ill liebe Frau Pfarrerinn war im Versprechen nicht mit einbedungen, und fuhr alsdann gestern, in einem Tag von Straßburg nach Haus. In Bischofsheim ließ ich den Hut ligen.

Und so ist nun wieder ein schöner Traum vorüber. Ich zweifle wirklich halber, ob ich bey Ihnen gewesen bin. Sie können mirs am besten sagen.

Wie gut sind Sie alle, und wie lieb sind Sie mir! Ich habe mich völlig mit dem Schicksal ausgesöhnt, und alle alten Rechnungen mit ihm zerrissen, nachdem ich so viel Freundschaft und Liebe im O.[ber] L.[and] gefunden habe. Gott erhalte Sie gesund und gebe Ihnen viel Freuden. Mit dem Frieden ists also nichts. Rußland soll sich mit England ausgesöhnt haben. Von der bewußten Verschwörung im Elsaß ists in Straßburg ganz stille. Man muß selber davon anfangen und fragen, um zu erfahren, daß bei der Untersuchung nichts herausgekommen sey. Da ich sehe daß Sie so viel Antheil an den in- und ausländischen Neuigkeiten nehmen, und von Basel oft so unsicher bedient sind, so will ich Ihnen für die hiesigen Gegenden alle 14 Tage ein Bulletin schicken. Wenn ich in der Zwischenzeit nichts melde, so ist auch nichts geschehn. In diesem Augenblick ist alles still.

Von Herzen der Ihrige      Hebel     

 

 

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Diligence: Eilpostwagen.
Hirtenbrief: eine Protestnote gegen die Gefangensetzung
des Papstes Pius VII. in Savona durch Napoleon I.,
gegen die Erklärung der Stadt Rom zur kaiserlichen Stadt
sowie gegen die Einverleibung des Kirchenstaates in
das französische Imperium.
Verschwörung: der im Brief vom Nov. 1808 an Hitzig
erwähnte Putschversuch.

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