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AN GUSTAVE FECHT

   

Den 7. Aug. [1807]     

Bin ich nicht artig, meine liebe Freundinn? Ich dachte, es könnte Ihnen einigen Spaß machen, wenn Sie richtig profezeit hätten, daß meine fleißige Correspondenz bald nachlassen werde. Deswegen habe ich Ihnen nicht sogleich geantwortet. Aber länger kann ich Ihnen den Gefallen doch nicht thun, weil ich selber zuviel dabey verlöhre.

Eine Frage Ihres Briefes beantwortet der meinige von selbst, nemlich wie früh ich aufstehe. Es ist 6 Uhr. So früh treibt mich den ganzen Sommer das Zahnweh heraus. Ich bitte aber, sich mit keinem großen Mitleiden zu verköstigen. Fürs erste ists genug, wenn einer leidet. Fürs andere ists nicht so arg. Ich bekomm es nur vor Tag. Wenn es mich auch dann bisweilen weckt, so schlafe ich doch bald wieder ein. So bald ich auf bin, ist alles vorbey, z. B. iezt.

Nun hören Sie auch 2 Neuigkeiten an. Die erste: ich habe vor 14 Tagen, seit ich hier bin zum erstenmal, wieder im Wasser gebadet, nemlich im fließenden. Ohngeachtet des Zahnwehs? Freylich! Denn diesem hab ich soviel abgemerkt, daß es von Nässe und Kälte nicht abhängt. Auch hat es mir wohlgethan. Aber nicht gefallen. Die Alb ist keine Wiese. Deswegen bade ich seitdem in einem Kasten warm. Es ist dies Jahr eine gar schöne Einrichtung dazu, welche dem Unternehmer schon 3000 fl. kostet, in einer recht angenehmen Gegend zwischen Wiesen und entfernten Waldungen eine halbe Stunde von hier. Da bin ich nun alle Tage und werde wieder mit der vornehmen und schönen Welt bekannt, von der ich mich seit Jahren fast ganz ausgeschlossen hatte: Ich erneuere wie einer, der lang in Amerika gewesen ist, alte Bekanntschaften mit Personen, die ich seit 10 Jahren, als ich aufhörte, Casino und Concert zu besuchen, nimmer gesehen habe. Auch die Falschmünzerinn ist alle Abend da. Ich habe den ersten Abend Bekanntschaft mit ihr gemacht. Sie ist sehr artig und spricht sehr vernünftig. Sie wollte nicht mit mir übereinstimmen, daß ein englischer Garten bey dem Badeplatz seyn sollte. Denn die Natur sey schöner als die Kunst. Aber sie wurde doch überwunden, als ich ihr zu bedenken gab, ob nicht Natur und Kunst nebeneinander in freundlicher Nachbarschaft noch schöner wären, „Ia freilich", sagte sie, „insofern!" Indessen weiß ich noch nicht, wer sie ist, ob ich es gleich ieden Augenblick erfahren könnte. Denn ich finde, es sey sehr interessant, ia fast abentheuerlich mit einer Unbekannten bekannt zu seyn. Übrigens muß ich Ihnen von dem Bad noch sagen, daß es im Beiertheimer Bann ist, und daß neulich der Schulz einem Geheimenrath eine Ohrfeige gab, weil er über die Matten lief. Seitdem ist alles erlaubt. Aber was gilts, Sie lesen nur mit halber Aufmerksamkeit was ich schreibe, und warten unterdessen auf die zweite Neuigkeit. Sie bringens nicht heraus. Ich habe seit vorgestern ein eigenes Kätzlein. Als ich heimkam saß es vor meinem Fenster. Ich machte ihm auf und, lockte es schmeichelnd hinaus, weil ich dachte, es sey nur als eine Visite angesehn. Bald merkte ich aber an seiner Demuth und an seiner hagern Gestalt, daß es dienst- und brootlos sey. Aber wer ihm mit nichts aufwarten konnte, als mit ein par harten Canderer Bretzeln, war ich. Ich gab ihm daher ein Empfehlungsschreiben an die O. H. Schweikardin. Gestern früh um halb sechs saß es schon wieder, als ich noch im Bett war, unter dem obern Fenster, welches offen stand, und mauete mir einen guten Morgen. Kaum hatte ich ihm geantwortet, als es mit einem großen Satz in die Stube herab sprang. lezt ließ ich ihm aus meinem Kosthaus ein Milchsüpplein holen, und weihte es damit förmlich zu meinem Eigenthum ein. Dis ist das sechste lebendige Thier, das ich in meinem Leben hatte. Zuerst ein Igel in meiner Kindheit, darnach ein Distelfink, dann ein Hund in Erlangen, dann einen Kilhasen in Lörrach, dann wieder einen Distelfink, und iezt das Kätzlein. Wie schön es sey, will ich Ihnen nicht schildern, weil es noch wüst ist. Es wird einmal die Ehre haben, sich selber zu präsentiren. Wenigstens hab ich ihm schon versprochen, wenn du säuberlich bist, und nicht viel schreist und schön wirst, so darfst du einmal mit ins Oberland nach Weil, und nach Basel zum Herrn Geymüller am Schlüsselberg.

[8. Aug.]    

Es ist noch immer 6 Uhr aber um 24 Stund später. Ich habe Ihnen gestern viel Unbedeutendes geschrieben, aber ist es nicht besser so, als wenn man viel Wichtiges zu schreiben hat, z. B. daß es gebrannt habe, oder daß man krank gewesen sey, oder daß schon wieder Soldaten marschiren, oder zulezt gar, daß im Garten die Bohnen ausbrennen. Das kommt daher, wenn man nicht fleißig begießt.

Ich ärgere mich, daß ich nicht Ihre Freundinn J. Klose gekannt habe. Ich nahm in Gedanken alle drei für Töchter des H. Geh. Hofraths. Es ist aber auch wunderlich, daß sie sich nicht zu erkennen gegeben hat, etwa mit einem erdichteten Gruß oder mit einer Frage: Bekommen Sie oft Briefe von Weil, worauf ich angedient hätte: So, so, dann und wann.

Morgen geht der E[rb] G[roß] H[erzog] nach Paris. Nach neuesten Nachrichten sind unsere Truppen auf dem Heimweg. Von den Altbadischen sind nach officiellem Bericht 39 tod geblieben. Aber das Lazareth soll stark seyn. Ich gratulire auch, daß Sie eine Breisgauerinn worden sind, eine Freyburgerinn, eine Landgräflerinn. Ich bin schon lang einer wegen Hausen und Hertingen, so in der Landgr[afschaft] Sausenberg ligen. Ich wünsche Ihnen allen gute Gesundheit. Hindert diese Hitze nicht die Genesung Ihrer guten Frau Mutter. — Ach, wie geht es meiner guten Frau Vögtinn? Sie wird bey dieser Hitze wohl sehr incommodirt werden, unter anderm von der Hitze selber? Der Herr Pfarrer wird mit dem Wetter zufriden seyn?

Ich schließe. Sie haben hohe Zeit, wenn Sie mir antworten wollen. Denn sobald ich diesen Brief gesiegelt habe, fange ich schon wieder den zweiten an, wenn mich der Pf. Eccard nicht hindert, der wie eine eingelegte Exekution mein Zimmer besezt hält. Leben Sie wohl, meine liebe Landgräflerinn und Landsmänninn.                          

 J. P. H.    

 

 

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eine gar schöne Einrichtung: Das genannte Bad befand
sich in der Alb unweit Beiertheim.
Falschmünzerinn: nicht mehr zu ermitteln.
Canderer Brezeln: kleine, an Ringen mit einer
Schnur aufgereihte Laugenbrezeln.

Kilhase: Kaninchen.
J. Klose: Hebel hatte die Base von Gustave Fecht
für eine Tochter von Karl Friedrich Christian Klose,
Geh. Hofrat im Finanzministerium, gehalten.
Morgen geht der Erb-Groß-Herzog nach Paris: Zur
Vermählung König Jeromes von Westfalen mit
Katarina von Württemberg, wo er als Trauzeuge fungierte.
eine Freyburgerinn: Durch die neue Verwaltungsorganisation
 war Weil zum Regierungsbezirk Freiburg gekommen.
Der Breisgau war ursprünglich eine Landgrafschaft.

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