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AN GUSTAVE FECHT |
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Meine theuerste Freundinn! D. 20sten May [1807] Fast hätte ich diesen Brief lateinisch angefangen, so sehr geht mir diese Sprache im Kopf herum. Aber vielleicht war es klug gewesen. Sie hätten sich unter den lateinischen Perioden vorstellen können, was Sie wollten und vielleicht wären Sie gütig auf die Vermuthung gekommen, es sey darinn eine Entschuldigung meines langen Stillschweigens enthalten, gegen deren Gründlichkeit sich gar nichts einwenden lasst. Ich erschrecke wirklich, daß mein letzter Brief schon ienseits des Palmsonntags ligt, und daß unterdeß alle Bäume grün geworden sind und geblüht und ausgeblüht haben. Zwar könnte ich schalkhaft sagen, und glauben, ich hätte noch eine Antwort zu gut. Ich glaub es wirklich. Aber weil ich es nicht recht gewiß weiß, will ich lieber den Strich auf meine Seite schreiben. Auch bin ich ruhiger dabey. Denn wenn ich lange nicht schreibe, ist mir die Ursache bekannt, und ich weiß wohl, daß Sie mir doch alle herzlich lieb sind. Aber wenn ich lange von Ihnen auf Antwort warten muß, kann ich ia nicht wißen wo es fehlt. Und wenn diese Denkungsweise von mir nicht artig seyn sollte, so ist doch auch nicht alles daran unartig. In der letzten Ferienwoche, neml. am Ostertag bin ich zwar von Zahnweh wieder befreit, aber noch immer mit Husten nach Strasburg gereist, um ein Kind aus der Taufe zu heben, um ein par Buchhändler-Geschäfte selbst zu besorgen, um noch etwas von den Ferien zu geniesen (aber es schneite zu viel) und von dem Münsterthurme wenigstens soweit nach Ihnen hinauf zuschauen als es möglich: Hat sich in der Osterwoche nie der Haspel selber umgedreht, oder es hat Ihnen im Garten ein „guten Abend" zugeflüstert? Doch Sie konnten vielleicht beides nicht beobachten. Denn fleißige Leute haben schon vor der Charwoche ausgehaspelt und gesponnen, weil sie so geschwind sind und gärtnen doch erst zwischen Ostern und Pfingsten, weil die fleißige Hand ändern Leuten immer noch nachkommt. Wenn es bei Ihnen nicht so ist, so hab ich es von mir selber abgenommen. Vor einigen Wochen traf ich in Rastadt auf der Rheinau Jgf.Kisling, von der ich alles auspresste, was sie mir von Weil sagen konnte. Gottlob, daß die Kräfte Ihrer gütigen Frau Mutter sich immer mehr zur völligen Genesung sammelten. So tröstete sie mich wenigstens. Aber was haben Sie selber am Pfingsttag in der Kirche für einen lieben Spaß und Muthwillen an mir ausgeübt. Doch Sie warens nicht. Als ich in der Schloßkirche nach dem Gesang die Sakristeythüre öffnete, saß mir nicht sehr fern, doch etwas schief gegenüber ein Frauenzimmer, das mir wie eine Erscheinung von Ihnen aussah. Ich war sehr frappirt, wich, und kehrte immer nach diesem fremden und bekannten Gesicht zurück. Alle Ihre Minen wußte mir die Zauberinn nachzumachen, wie Sie die Augen gegen den Pfarrer richten, und wieder zurückziehen um gleichsam über etwas nachzudenken, wie Sie das Gähnen unterdrücken, wie Sie heimlich schauern (es war etwas kühl in der Kirche) und tausend kleines Muskelnspiel, das alles sah ich zum Täuschen, vergaß gern, daß es nicht möglich sey, und glaubte bald Sie seyen es. Die Täuschung hielt mich die ganze Predigt durch, und fiel erst als das Bild am Ende der Kirche nahe an mir vorüberging. Aber andächtig war ich doch. Gewiß: Meine heilige Zeit, mein schöner großer Feyertag, wo ich näher als sonst, bey Gott und bey allem Guten bin, dauert von Ostern bis Pfingsten. Da gehe ich gerne in die Kirche und erbaue mich, wenn auch die Predigt schlecht wäre, am Evangelium. Denn in dieser Jahreszeit, wo draußen alles blüht, haben wir auch die Blüthe der ganzen Kirche und Religion in den Sonntags Evangelien. Aber eben so fromm und gerührt kann ich auch seyn wenn ich den ganzen Sonntags Morgen, in Beuertheim im Hirschen, im Grasgarten unter den Bäumen im Freien, bey einem halben Schöpplein Rothen und Butterbrod in der Sonntagsstille, unterbrochen von Glockengeläut und Bienensumsen sitze und im Jean Paul lese. Lesen Sie denn auch, so wie Sie Zeit haben, die schönen Schriften dieses einzigen vortrefflichen Menschen oder schreckt Sie die Schwierigkeit ab, die man im Anfang hat ihn zu verstehen? Seine Schriften sind wie Ananas, auswendig lauter Distel und Dorn, bis man in das süße innere Leben hineingedrungen ist und wenn es Ihnen ein gutes Vorurtheil für ihn machen kann, er ist ein guter Freund von unsern allemannischen Gedichten, und ich habe noch kein schöneres Lob davon gelesen, als das seinige in der Zeitung für die elegante Welt, und es wird Ihnen angst, weil ich jetzt anfange zu pralen und noch zwey und eine halbe Seite an diesem Brief durchzulesen sind, zwey und eine halbe Seite werden Sie freilich noch durchlesen müssen, oder können wenn Sie wollen. Aber doch kein Wort mehr von mir. Aus Polen hört man mit Sicherheit nichts. Viel Blut scheint Danzig zu kosten, Badisches wird auch darunter seyn. Ein neuer Transport geht ab. Ich wünsche dem Napoleon Sieg, damit es doch wieder einmal Ruhe wird. Noch glaubt man, der G. Herzog werde nach Freyburg etc. gehen. Aber zuerst wird er in eigener Person den Grundstein zur neuen Stadtkirche legen. Sie kommt zwischen die Gebäude des neuen Gymnasiums zu stehen. Die Holzschöpfe, die Bauchhäuser und die Abtritte für 300 junge Leute kommen rechts und links auf den Kirchhof, während die katholische neue Kirche nach dem Plan eine der schönsten wird, die existiren. Jedermann lamentirt darüber. Niemand hindert's. Unterdessen sinkt Carlsruhe trotz des Bauens an allen Ecken, noch während es Residenz ist, immer mehr zur stillen Landstadt herab, und viel Albernes geht vor. Aber Stille! Nur im Pfarrhaus darf man's wissen. Kein Wort zum Fenster hinaus. Es sind schon gantze Briefe, die ich ins Oberland geschrieben habe, abschriftlich wieder nach Karlsruhe gekommen. Einen davon, der muthwillig, aber zum Glücke nichts weiter war, hat der G. Herzog gelesen. Gott gebe Ihnen allen viel liebes und frohes in dem Frühling, insbesondere der guten Frau Pfarrerinn gute befestigte Gesundheit und einen langen heitern Genuß derselben. Sind die Blumen schon aufgegangen? Ist etwas darunter das Ihnen Freude macht? Stehen die Reben schön? Lassen wir noch in Eichen weben? Unter uns gefragt: Meint's die Frau Vögtinn noch gut mit mir? Wird's der Herr Pfarrer aushaken können, wenn alle Feyertage auf einmal ein Ende haben. Vielleicht bekomme ich dann schöne lange Briefe von ihm. Meine herzlichen Grüße und Empfehlung. Gott erhalte Sie gesund. J. P. H.
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Danzig: Die Belagerung Danzigs unter Marschall
Lefebvre,
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