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AN GUSTAVE FECHT

   

d. 3 ten Dez. [18o]6    

Der Wein ist zwar noch nicht da, meine Liebe, aber der Fuhrmann auch nicht. Vielleicht ist er im nemlichen Regen ertrunken, der mich abgehalten hat, daß ich nicht in diesem Augenblick auf einen kurzen Besuch in Weil bin. Unterdessen dürste ich schon zwey Tage lang entsezlich, blos um die erste Bouteille voll in kräftigen Zügen auf Ihre allerseitige Gesundheit auszuleeren, und besser deliberiren zu können, was ich mit dem Fäßlein zu seiner Zeit anfangen werde, ob ichs Ihnen von hier aus schicken werde, oder ob ichs biß nach Freyburg selber mitnehmen soll. Denn wer nur Ja sagen darf, um Stadtpfarrer und Universitätsprediger in Freyburg zu seyn, das bin ich. — Ist mir so etwas an der Wiege gesungen worden? Steht so etwas im Bohnenlied? Die Stelle ist mir angeboten. Sie können denken, wie viel ich in beide Wagschalen zu legen habe, wie es an mir zieht, und zurückhält. Ich wollte mich augenblicklich auf die Post setzen, und hinaufreisen um mich droben zu entscheiden, aber das Wetter ist gar zu stürmisch. Unterdessen schwanke ich unentschlossen hin und her wie ein Uhrenperpendikel.
Wenn man mir Zeit läßt bis zu den Weihnachtsferien, wenn sich bis dahin das Wetter bessert, wenn ich gesund bin, so reise ich doch hinauf und schaue mit eigenen Augen, und komme, wenn es auch nur auf eine Stunde wäre, nach Weil. Aber schön, wäre es, wenn Sie auf den möglichen Fall, daß ich nicht fortkäme, oder mich früher erklären müßte, sich fein zusammensetzten, geheimen Rath hielten, und mir recht bald ein conclusum zuschickten, was ich thun soll. Die Besoldung ist droben, alles nach den hiesigen Preisen angeschlagen freilich nur um 49 fl. höher. Um was die Artikel droben wohlfeiler sind, geht noch daran herunter und wird Verlust. Auch habe ich wirklich nie gewußt, wie werth ich meinen hiesigen Freunden bin, und wie lieb mir meine hiesige Lage unvermerkt geworden ist, als iezt wo von der Trennung die Rede ist. Man macht mir Vorwurf darüber, daß ich daran denke, für nichts und wieder nichts wegzugehen. Aber was hilft alles? Einmal will und muß ich doch gehen. Ich habe Sie nie getäuscht, wenn ich sagte, daß ich nicht in CR. bleiben wolle. Auch habe ich diesen Vorsatz nie geändert, nur von einem Jahr auf das andere verschoben.

Ich soll auch Collegia lesen, Schmidt in Hüg[elheim] und Baron Cronfels in Freyburg meinen, ich soll gehen. Käthen Sie mir! Wenns auf Spitz und Knopf ankommt, soll Ihr Rath mich bestimmen.

Möge Ihre Gesundheit von diesem häßlichen Wetter nicht leiden. Ich bin traurig, daß Sie so oft und so viel leiden müßen. Meine herzliche Empfehlung an Sie alle.
 

Ihr redlicher Fr.      H.   

NB. Einsweilen stille zur Sache, was ich bitten will.

 

 

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