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AN GUSTAVE FECHT

   

Theuerste Freundinn!

Wir sind zwey unglückliche Prinzen, mein Hausarzt und ich. Vor einigen Wochen wurde Nachts um 10 Uhr eine Petarde losgebrannt; da rißen wir beide unsere Läden auf und machten zum Fenster hinaus Feuerlerm, weil wir den aufgehenden Mond für eine Brunst in der Waldhorngasse hielten. Aber nüchtern waren wir. Das will ich mir für beide zusammen und für jeden insbesondere ausbitten. Irren ist ia menschlich, wie Sie sogleich an einem andern Beyspiel hören sollen. Ich würde Sie nicht an die Bartschüssel erinnern, wenn sie nicht noch nach ihrem Tod so große Bewegungen im Hause verursacht hätte. Ich hatte sie bisher auf allen meinen Zügen so sorgfältig wie Pfeffels Husar seine Tabakspfeife mitgenommen und bewahrt, und wegen ihrer geräumigen Weite — Dank sey dafür dem schlauen Rühl, sie als Waschbecken gebraucht. Vor einiger Zeit wurde sie mir beym Bettmachen hinuntergeworfen und zerbrochen. Ich machte dabei den Philosophen, sah die Scherben im Hinaustragen noch einmal an, und ließ es gut seyn. Vorgestern nach Tisch wollt ich der Frau O. Hofräthin zur glücklichen Abschlachtung eines fetten Schweins gratuliren, da begegnete mir ihr Mann auf der Treppe, und klagte mir, daß sie vier Leichen zu viel im Hof hätten, indem ihnen ebensoviel Capaunen auf einmal mit einander krepirt seyen. Ich gieng in die Wohnstube, während er im Hof den Ursachen des Unglücks nachspürte, und traf dort die Töchter an, die den Speck zu den Würsten zuschnitten. Das iunge Blut war über den Jammer leicht zu trösten. Aber auf einmal kam die Frau vom Hause mit einer Porcellanscherbe hinein. „Da haben wir den Fund, sagte sie, wie kommt um Gotteswillen, diese Scherbe mit Grünspan in den Hof?" Ich erkannte sogleich meine Scherbe, und den leibhaftigen Grünspan, erklärte mir im Augenblick die Entstehung des letztern aus der Verwitterung der grünen Glasur des Laubwerks, und bekannte mich zu allem. Und so gieng sie wieder. Mir war es unaussprechlich leid, um so mehr da ich in diesem Hause ausnehmende Freundschaft und Liebe genieße. Mit welchen Zufällen, sagte ich am Ende, hängen in der Welt die Schicksale der Menschen und selbst der Capaunen zusammen! Seht Kinder, so kann man aus den besten Händen Gift empfangen. Diese Schale habe ich einst von einer Freundinn zum Geschenk bekommen, die mir diese Verlegenheit und euern Capaunen den Tod nicht damit bereiten wollte. Während dem wurde ich auf das Zimmer der Frau O. Hofräthin zum Caffe eingeladen, wo der letzte Capaun noch unter dem Ofen mit dem Tod ums Leben kämpfte, und die unglückselige Scherbe auf dem Simsen stand. Grünspan wars, wir rochen daran und ich hätte ein wenig davon an die Zunge genommen um mich völlig zu überzeugen, wenns der Arzt gelitten hätte. Indessen fand ich doch wenigstens für mich den Trost, daß das Gift, was auch der O. Hofrath voraussezte, nicht in der Scherbe ausgelöst sondern hineingelegt sey. Denn die Glasur war noch unangefressen und des Grünspans viel.
Da war denn ich Gottlob ganz unschuldig und das alte Räthsel, wo kommt es her? war wieder da. Ich hatte den Sohn vom Hause in Verdacht, weil die Schwestern so ein Wörtlein gegen mich fallen ließen, aber da ich einmal frey war, fand ichs nicht für nöthig einen ändern in die Lücke zu stellen. Nach einigen Stunden löste sich alles auf. Bei genauerer Besichtigung der Leichname verrieth es sich, daß die Thiere nicht durch Gift, sondern durch die Zähne des Metzgerhundes möchten gewürgt worden seyn, was sich auch bestättigte, und der vermeinte Grünspan — nun lachen Sie uns nicht aus, und verrathen Sie ia nicht den ersten Physikus des Landes und den zweiten Lehrer der Naturgeschichte am Gymnasium — der Grünspan war nach der chemischen Untersuchung nichts mehr und nichts weniger, als was iede Gans oder Ente von sich gibt, wenn sie mit der Verdauung fertig ist. Solches tragisch komische Ende nahm die Bartschüssel und ich gedenke sie mit einem eigenen allemanischen Gedicht im zten Band zu verewigen.

Nun leben Sie wohl, meine Theuerste. Empfehlen Sie mich Ihren lieben Hausgenossen.

 Ich bin unwandelbar Ihr ergebenster      Hebel    

d. 6, Jenner 1805.

 

 

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Hausarzt: Chr. Ludwig Schweighardt.
Pfeffels Husar: vgl. das Gedicht „Die Tabakspfeife"
von Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1801)), zuerst
erschienen im Vossischen Musenalmanach für 1783.

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