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AN GUSTAVE FECHT

   

[Mai—Juni 1804]         

Ich wollte Ihnen, meine Beste, noch aus dem alten Logis schreiben, aber ich kam nimmer dazu. Iezt sollen Sie etwas von meiner Wanderung hören. Es ward mir schon im Oktober aufgekündet, aber ich wußte, daß ich Zeit habe bis gegen die Mitte des Junius. Da wollte ich recht nach Geschmack wählen, und verpaßte alle Gelegenheiten. Zum Unglück mußte nemlich die Mutter der Grävinn von Hochb[erg] sterben. Man glaubte ihr Sohn der Obriststallmeister von Gayer, der bei Oberhofr. Schweickhard wohnt, werde in ihr Haus ziehn. Sein Logis wäre mir anständig gewesen. Schweickhard ist mein Freund und mein Arzt, wiewohl ich ihn seit 3 Jahren nicht inkommodirt habe. Aber da ward aus Abend und Morgen ein Tag nach dem andern und Geyer blieb sitzen. In der Noth fand ich noch das Plätzlein, auf dem ich Ihnen iezt schreibe, und logire ganz originell. Ich habe ein einziges, doch geräumiges Zimmer und darin haben Platz nebeneinander ein Pult, zwei Bücherschäfte, eine Comode, ein Bett, drei Tische, 1 Coffer, 1 Stiefelzieher, sechs Sessel und ich. Das übrige, was aber nimmer viel ist, steht noch bey Meerwein im alten Logis. Aber Sie glauben nicht, wie zufrieden und wie vergnügt ich bin. Ich lebe wieder in meinen Studieniahren, und fühle, daß ich glücklicher wäre, wenn ich ein Zimmer bewohnen könnte, als wenn ich 3 oder 4 bewohnen muß, und würde das gar nimmer ändern, wenns die Schicklichkeit erlaubte. Auf den 23. Juli bekomme ich noch eine Stube und eine Kammer und ziehe auf den 23. Oktober wieder aus. Wohin? Doch noch in das Logis des Obriststallmeisters bey Schweickhard im großen Zirkel, wo die Hofluft weht. Geben Sie acht, wie ich Ihnen alsdann so vornehm schreiben werde. Im vorigen Logis hatte ich 3 große Zimmer mit einem Alkoven, im 3. Stock eine vortrefliehe Aussicht ins weite und freye, aber eine totale Einsamkeit rings umher. Iezt ein Zimmer im mittleren Stock wo ich einen einzigen Baum über eine Hofmauer herausstehen sehe, aber in einer äußerst lebhaften und volkreichen Gasse, was mir neu und gar angenehm ist. Im Oktober bekomme ich vier Zimmer im untern Stock. 2 Fenster in die dunkeln Zirkelhallen gekehrt, und die übrigen gegen die todte Mauer des botanischen Gartens. Wenn man nur guten Appetit und Schlaf, keine lange Weile hat und leichtsinnig ist, so kann man überal gut seyn.

Ich will gerne glauben, daß man lange spinnen muß, wenn man 100 Stränglein an die Nägel bringen will, und noch soviel daneben arbeitet, wie Sie, und noch dazu so fein spinnt, wie Sie, und es ist noch die Frage, ob Ihnen der Herr Pf. gehaspelt hat. Mögen Sie sich nun im Freyen, in Ihrem schönen Garten recht erholen und schadlos halten für das lange Sitzen. Das haben Sie nicht gut gemacht, wenn Sie Anstand nahmen mir um Blumensamen zu schreiben. Aber Sie machen vermutlich nur Spaß und werden's vergessen haben. Schreiben Sie mir nur, was Sie haben oder was Ihnen fehlt, aber auf ein eigenes Zeddelein damit es mir nicht an Ihrem Brief abgeht. Sie werden auch lange auf den Carlsruher genealogischen Calender warten, den Sie schon so lange von mir verlangten. Aber lieber Gott, ich weiß von gar keinem genealogischen Kalender, der hier herauskäme. — Die Schafe haben Sie richtig gerathen. Aber die Eier audi, nur langt es bei einunddreißig einmal mehr.

Was sagen Sie in Weil dazu, daß Herr von Röder sich hat scheiden lassen? Sie lebt in Strasburg mit den Kindern. Er hat Bedingungen verwilligt, die über seine Kräfte und Vermögen gehn.

Efberhard] hat mir kürzlich geschrieben und gerühmt, wie gut er stehe. Ich habe ihm einen seiner Creditoren empfolen, dem er noch schuldig ist. Der arme Mann, der sich seiner in den lezten Wochen seines Hierseyns (freilich nur zum Verdruß) noch angenommen hat, kämpft mit Kummer und Mangel, und sollte sich durch Heiterkeit und gute Nahrung von einer schweren Krankheit erholen.

In wenig Wochen wird der König abreisen. Ich habe die Königin nie gesehn, und nie vor dem König gepredigt. Ich habe seit dem zweiten Christtag nimmer gepredigt. Am grünen Donnerstag sollt ich, ich lehnte es aber ab und bekam darüber Verdruß mit K. R. Walz.

Iezt habe ich noch eine Privatstunde. Wie wahr ist das Sprichwort: „Es wechselt mit uns wunderlich." In Lörrach informirte ich extra, aus Noth. Hier sezte ich es noch lange fort, theils aus Freundschaft gegen die Eltern, wenn sie es verlangten, theils aus Liebe zu meinen Schülern, die etwa einer Nachhilfe bedurften, ohne etwas dafür zu verlangen oder zu bekommen, und aus Dankbarkeit gegen die Vorsehung, die mich in Lörrach ernährt hat. Zulezt ließ ichs ganz bleiben, und iezt tu ichs wieder aus Noth. Aber ich bin gar nicht mißvergnügt oder verdrießlich dabey! Der Mensch muß sich soviel Freude zu verschaffen suchen als möglich ist. Wem wenig vom Schicksal gegönnt ist, der muß sich viel unangenehme Geschäfte machen, damit er sich wenigstens freuen kann, wenn sie vorbey sind. Es wäre noch artig Platz auf der Seite da üben, zu moralisiren. Aber er kommt, mein iunger Herr.

Leben Sie wohl, meine Freundinn!       H.      

Grüßen Sie mir den Herrn Vogt und die Frau Vögtinn und nehmen Sie meine Entschuldigung auf sich, wenn es nöthig ist, daß ich ihnen nicht auch geschrieben habe. Man muß nicht alle angenehmen Unterhaltungen auf einmal sich machen,
sondern sie zwischen die trockenen Geschäfte vertheilen, damit man auslangt und immer ein wenig mildes Öhl zum sauren Essig im Vorrath hat.

 

 

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