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AN GUSTAVE FECHT

   

Theuerste Freundinn!                                                             [25. März 1804]

Wie bin ich? Was mach ich? Was soll ich Ihnen sagen? Sie schienen es schon in Ihrem lezten Schreiben unangenehm zu empfinden, daß ich einmal so lange still war, und wie zum Troz mach ichs nun wieder so. Ich will mich rechtfertigen, so gut ich kann, denn, lügen will ich nicht. Es hat mich etwas tief angefaßt, was Sie mir auf der ersten Seite Ihres Briefes geschrieben haben, und wenn ich Ihnen nur, wie ich Willens war den nemlichen Tag geantwortet hätte! Aber das that ich nicht. Ich wollte eine ruhige Stunde und gute Stimmung benutzen, aber die kam nicht. Ich habe einen recht einfältigen Winter (denn noch ist er nicht vorbey!). Ich hatte Catthar, der ward zum Schnuppen, detaschirte sich zur Abwechslung bisweilen in die Ohren, so daß ich in Gesellschaft, wo mehrere redeten, oft nur ein allgemeines Sausen vernahm, dann kehrte es zum Catarh zurück und endigte, wenns anders vorbey ist, mit Halsweh. Es war eben ein Fluß, und was bey allem launigen Wechsel desselben immer gleich blieb, ist das: Ich war entsezlich dumm und trag und neidig. Dazu kommt noch als eine kleine Nebensache, daß ich in dieser Zeit mancherley andere Geschäfte hatte. Nun könnte es Ihnen freilich auffallen, daß ich in der Wahl lieber die anderen Geschäfte zuerst verrichten, als an gute Freunde denken wollte, wenn Sie Ihr gutes Zutrauen nicht von selbst auf die Überzeugung führen sollte, daß ich lieber das Unangenehme zuerst von der Seite schafen und mir den Genuß des Angenehmen vorbehalten wollte. Aber ienes nahm kein Ende. Darüber rückten mir die Examengeschäfte in die Nähe und die Ferien in den Hintergrund und Sie können sich wohl vorstellen, wenn einmal diese in der Nähe sind, so wird alles auf sie verspart. Gestern haben sie angefangen, aber es ging keine Post ab. Mehr will ich nicht sagen. Thun Sie mir nicht wehe mit einem Zweifel an der Aufrichtigkeit und Standhaftigkeit meiner Freundschaft gegen Sie oder die Ihrigen. Es ist schon eine große Demüthigung für mich, daß ich nur in den Fall kommen konnte, Sie darum bitten zu müssen.

Ich wünsche, daß Sie ein gesundes und heiteres Frühiahr miteinander genießen mögen, und das warme Blut und Kuttelwasser soll ferner gute Dienste thun und das Herrgottskäferlein mag zur Vorsorge auch bald erscheinen, aber wenns nach meinem Wunsch geht, so soll es gleichwohl viel zu spät kommen.

Die Charaden haben Sie richtig errathen bis auf die 5 te. Wer wird an das schwarze Sargtuch denken? Und ich hab Ihnen noch ausdrücklich gesagt:

es birgt — was meint ihr? Etwa Sarg und Bahre? Gott bewahre!

Aus dem Wochenblatt werden Sie nun wissen, daß es ein Zopfband ist. Iezt will ich Ihnen zur Abwechslung auch etwas nach Ihrer eigenen Manier aufgeben:

Zwei Schäfer begegnen sich mit Schafen. Hans sagt zu Fritz: „Gib mir eins von deinen, dann habe ich noch einmal so viel als du." Fritz sagt: „Nein! Gib du mir eins von den deinen, dann habe ich ebensoviel als du."

Nun? — Wieviel hatte denn ieder?

Dismal lassen Sie mich mit dem Kalender heilig sterben, ich merke es schon, und liefern mir keinen Beitrag. Denn in 3 Wochen müssen schon die Aufsätze fertig seyn. Aber zur Strafe will ich nun auch das Geheimniß von den Eyern verrathen. — Im disiährigen Calender sind von mir die Aufsätze gegenüber von den Monaten Febr., Merz, April und May, September. Die Grabschrift von der Frau Martha hab ich nicht gemacht. Aber eine andre auf den Tod eines Chirurgus. Was halten Sie davon?

„Gott woll' ihm Ruhe geben!
Hier ligt ein vielbeweinter Mann,
er hat in seinem ganzen Leben
nicht einem Menschen weh gethan."

Denken Sie nur, ich muß bis Georgi aus meinem schönen Logis und von braven Leuten weg ausziehen, weil sie die Zimmer nun selber brauchen, und habe noch keins. Wenn ich nicht ein Par Zimmer bey einem Juden bekomme, so werde ich ein Logis miethen müssen, das 200 fl. kostet, und froh seyn dürfen, wenn ichs noch bi'komme. Die Noth ist iezt noch, bis die vielen neuen Häuser gebaut sind, sehr groß.

Bis Ostermontag habe ich eine Predigt. Iezt Jährlich nur noch drei. Wenn ich Muße genug bekomme, so möchte ich fast ein par Duzend Predigten für den Druck zurecht machen, weil mich die Leute glauben machen, sie seyen nicht so schlecht, als sie seyn könnten, und weil mir durch die allem. Gedichte einigen Credit erworben habe. Ks ist eine eigene Sache mit dem Büchlein machen, wenn man es einmal angefangen hat, besonders bey mir. Denn mit der Besoldung ist einmal ohne Schulden nimmer auszukommen, wenn man nicht etwas neben her praktizirt, und vor Schulden bewahre mich der Himmel. Denn ich müßte sie mit dem Bewußtsein machen, daß ich sie nie bezahlen werde. Und denken Sie nur, in der Lotterie kann ich auch nichts gewinnen. Ich bin nicht so glücklich wie Sie und der Herr Pfarrer. Ich habe nach und nach ein 2tes Bändchen von A. G. zusammenstopeln wollen. Aber dieser heilige Geist, der mich damals umschwebte, will nimmer über mich kommen, und iezt kommt der unglückselige Catechismus wieder zum Vorschein, der in allen Diöcesen des Landes cirkulirte und nun von allen Wunden und Striemen geheilt werden soll, die ihm die grausamen Herren Speciäle geschlagen haben. Gesehn hab ich ihn noch nicht wieder, aber etwas läuten hab ich gehört.

Aber nicht wahr? Ich schreibe Ihnen wieder recht einfältige Sachen, die Sie nicht interessiren? Ich möchte Ihnen eben viel schreiben, damit Sie sehen, daß ich Ihnen gerne schreibe, und es geht mit diesem, wie mit dem viel reden. Es kann auch nicht alles klug und gut seyn, was man sagt, wenn man den ganzen Tag plaudert. Das erfahre ich an dem guten Geh. Hofrat Enderlin. Der Mann hat ein gar zu großes Zutrauen zu mir, wo er mich erblickt, und im Grunde hat er recht. Denn ich kann es wirklich nicht übers Herz bringen, den gesprächigen alten Mann merken zu lassen daß mich das alles was er mir von seinen ökonomischen Proiekten vordemonstrirt, nicht mehr interessire als ihn meine hebräischen Sprüche.

Seien Sie auch so gutmüthig gegen mich, wie ich gegen ihn. Ich kann unmöglich eine leere Rückseite an einem Brief dulden. Es sieht mir gerade aus, wie wenn man eine Stunde lang beysammen wäre und in der lezten Viertelstunde nichts mehr miteinander redete. Und ohnehin hab ich Ihnen noch für Ihre freundschaftlichen Besorgnisse wegen der Gyßerischen Correspondenz zu danken. Ich wußte es schon, sie kam bis nach Pforzheim hinab. Delikat ist es nicht. Indessen mache ich mir auch nicht viel daraus. — Nun zeigen Sie mir, ob es Ihnen ernst war oder noch ist, alle 4—6 Wochen einmal zu schreiben. Sie müssen den Anfang machen, sonst glaub ich wirklich Sie seyen böse über mich, und das möchte ich nicht gerne glauben, Daß ichs nicht verdient habe, daß Sie Wort halten gestehe ich ia gerne. Leben Sie wohl, beste Freundinn!

Ich bin von ganzem Herzen Ihr ergebenster Fr.      J. P. H.        

 

 

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